Eine geringfügige Beschäftigung liegt nach derzeit geltendem Recht zum einen dann vor, wenn das Arbeitsentgelt aus dieser Beschäftigung regelmäßig im Monat 450 EUR – die Regierungskoalition plant eine Erhöhung auf 520 EUR – nicht übersteigt (§ 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV, entgeltgeringfügige Beschäftigung), zum anderen dann, wenn die Beschäftigung innerhalb eines Kalenderjahres auf längstens drei Monate oder 70 Arbeitstage nach ihrer Eigenart begrenzt zu sein pflegt oder im Voraus vertraglich begrenzt ist, es sei denn, dass die Beschäftigung berufsmäßig ausgeübt wird und ihr Entgelt 450 EUR im Monat übersteigt (§ 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV, zeitgeringfügige Beschäftigung).
Zwischen den beiden Tatbeständen ist zu differenzieren; insb., weil sich aus diesen unterschiedliche Rechtsfolgen ergeben:
Hinweise:
- Bei geringfügiger Beschäftigung besteht Versicherungsfreiheit – und damit für AN Beitragsfreiheit – in der gesetzlichen Krankenversicherung (§ 7 Abs. 1 S. 1 SGB V), der sozialen Pflegeversicherung (§ 20 Abs. 1 S. 1 SGB XI), der gesetzlichen Rentenversicherung – in letzterer allerdings nur bei der zeitgeringfügigen Beschäftigung (§ 5 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 SGB VI). Bei entgeltgeringfügiger Beschäftigung besteht insoweit Versicherungspflicht mit der Möglichkeit, sich hiervon befreien zu lassen (§ 6 Abs. 1b SGB VI) sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung (§ 27 Abs. 2 S. 1 SGB III).
- Bei der entgeltgeringfügigen Beschäftigung haben Arbeitgeber Pauschbeträge zur KV (§ 249b SBG V) und zur RV (§ 168 Abs. 1 Nr. 1b u. c SGB VI, bei Befreiung der AN von der RV-Pflicht nach § 6 Abs. 1b SGB VI gilt für die Pauschbeträge § 172 Abs. 3 u. 4 SGB VI) zu leisten.
- Für die Zeit vom 1.3. bis zum 31.10.2020 hat der Gesetzgeber in Zusammenhang mit der Corona-Pandemie in § 115 SGB IV a.F. eine Ausweitung der zeitgeringfügigen Beschäftigung auf längstens fünf Monate oder 115 Arbeitstage bestimmt, erneut im Zeitraum 1.6.2021 – 31.10.2021 auf vier Monate oder 102 Arbeitstage.
Das BSG hatte sich im Rahmen eines Streits über die Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen mit der Beurteilung der Tätigkeit der Beigeladenen zu befassen, die im Zeitraum 1.7.2010 bis 7.9.2010 bei der Klägerin weder regelmäßig noch berufsmäßig nicht mehr als 50 Arbeitstage abhängig i.S.d. § 7 Abs. 1 SGB IV beschäftigt war. In dem hier fraglichen Zeitraum war die zeitgeringfügige Beschäftigung nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV a.F. innerhalb eines Kalenderjahres auf längstens zwei Monate oder 50 Arbeitstage begrenzt. Die Revision der Klägerin, mit der sie sich gegen das Berufungsurteil wendet, das die bei einer Betriebsprüfung von der Deutschen Rentenversicherung Bund festgestellte Beitragsnachforderung i.H.v. rd. 2.700 EUR als gerechtfertigt angesehen hatte, war erfolgreich.
Das BSG verweist darauf, die Beschäftigung der Beigeladenen sei aufgrund des Arbeitsvertrags im Voraus vertraglich auf längstens 50 Arbeitstage i.S.d. § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV a.F. begrenzt gewesen. Dass die Tätigkeit im Zeitraum 1.7. bis zum 7.9.2010 verrichtet werden sollte und damit die zweite Tatbestandsalternative der Begrenzung auf längstens zwei Monate ausscheidet, stehe dem nicht entgegen. Die nach Arbeitstagen berechnete Zeitgrenze finde nach dem Gesetzeswortlaut als gleichwertige Tatbestandsalternative nicht nur bei einer bestimmten – nicht aufeinanderfolgenden – Verteilung der Arbeitstage Anwendung; insb. sei auf die Zahl der Arbeitstage entgegen der bisherigen Verwaltungspraxis auch bei einer an fünf Tagen (oder mehr) in der Woche ausgeübten Beschäftigung abzustellen.
Hinweis:
Die damalige Zwei-Monats-Regelung ermöglicht, so das BSG, bei der Begrenzung auf zwei Monate eine Tätigkeit von (seinerzeit) mehr als 50 Tagen. Da auch Wochenenddienste, Tätigkeiten in Bereitschaft sowie Urlaubstage als Arbeitstage i.S.v. § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV zählen, können zwei Monate bis zu 62 Arbeitstage enthalten (nach aktueller Rechtslage mit der Begrenzung auf drei Monate bis zu 92 Tage).
Das BSG entscheidet hier entgegen der herrschenden, aber weitgehend nicht näher begründeten Kommentarliteratur (Nachweise s. Rn 15 der Entscheidungsgründe, wie hier jedoch Schlegel, Personalbuch 2021, "geringfügige Beschäftigung" C. Rn 68). Das Ergebnis leitet das BSG neben dem Wortlaut aus teleologischen und systematischen Gründen her, weder die Gesetzeshistorie noch die bisherige Rechtsprechung ständen dem entgegen.
Hinsichtlich der systematischen Gründe räumt das BSG zwar ein, § 8 Abs. 1 SGB IV regele Ausnahmen von der für Beschäftigte grds. geltenden Versicherungs- und Beitragspflicht und sei als Ausnahmevorschrift eng auszulegen, was insb. für eine Rechtsnorm gelte, die bestimmte Beschäftigte weitgehend von Sozialversicherungsschutz ausschließe. Der Charakter einer Ausnahmevorschrift verbietet aber nur, sie über ihren eindeutigen Inhalt und Sinn hinaus ausdehnend auszulegen. Das Gericht verweist in diesem Zusammenhang auf die mit Erhebung von Sozialversicherungsbeiträgen verbundene Einschränkung der allgemeinen Handlungsfreiheit...