§ 159 SGB III regelt im Einzelnen, in welchen Fällen wegen versicherungswidrigen Verhaltens des Arbeitnehmers – ohne für solches Verhalten einen wichtigen Grund zu haben – der Anspruch auf ALG für die Dauer einer Sperrzeit ruht, sich ggf. nach Maßgabe von § 148 SGB III um Tage einer Sperrzeit mindert und u.U. sogar nach § 160 Abs. 1 Nr. 2 SGB III erlöschen kann.
Zu Sperrzeiten führt nach näherer Maßgabe von § 159 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 und 5 SGB III, wenn Arbeitslose trotz Belehrung über die Rechtsfolgen eine berufliche Eingliederungsmaßnahme ablehnen (Nr. 4) oder eine solche Maßnahme abbrechen (Nr. 5). Das BSG hat bereits am 16.9.1999 – B 7 AL 32/98 R entschieden, auch der Abbruch einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme nach § 159 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 SGB III setze eine Rechtsfolgenbelehrung voraus, obwohl sich dies dem abweichend von Nr. 4 der Norm (Eintritt einer Sperrzeit wegen Ablehnung einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme) gefassten Gesetzestext nicht unmittelbar entnehmen lässt. An dieser Rspr. hält das BSG weiterhin fest, sodass offenbleiben kann, ob vorliegend dem Kläger eine Ablehnung oder ein Abbruch der von der Beklagten bewilligten Maßnahme vorzuwerfen ist.
Streitgegenständlich war vorliegend, ob sich die Rechtsfolgenbelehrung auch auf den Sperrzeitbeginn erstrecken muss. Das BSG hat schon 1981 für eine wirksame Rechtsfolgenbelehrung ausdrücklich „die verständliche Aussage” verlangt, dass „der dem Arbeitslosen zustehende Anspruch auf Leistungen von dem Tage nach der Arbeitsablehnung an ganz erlischt” (Urt. v. 10.12.1981 – 7 RAr 24/81 – juris Rn 26). Das BSG hält diese Rspr. weiter aufrecht (Urt. v. 29.11.2022 – B 11 AL 33/21 R) verbunden mit der Feststellung, falls aus dem Senatsurt. V. 27.6.2019 – B 11 AL 14/18 R etwas anderes hergeleitet werden könnte, so werde daran nicht festgehalten. Das die Klage abweisende Berufungsurteil (zu diesem s. Lehmann, info also 2022, 14) wurde aufgehoben.
Zur Begründung verweist das Gericht darauf, schon nach allgemeinem Sprachgebrauch lasse sich eine Aufklärung, die zwar die Dauer einer möglichen Sperrzeit (und damit die Länge des Ruhenszeitraums), aber nicht deren Beginn (und damit die Lage des Ruhenszeitraums) benennt, nur als unvollständig bezeichnen. Sie gebe keine Antwort auf die Frage, für welche konkreten Tage der Zahlungsanspruch entfallen würde. Vor allem könne eine solche Rechtsfolgenbelehrung auch ihr Ziel, den Arbeitslosen unverständlich zu vermitteln, welche Nachteile versicherungswidriges Verhalten für sie haben kann, nicht in Gänze erreichen. Die zeitliche Lage einer Sperrzeit habe aber entscheidende Bedeutung für das Ausmaß der mit ihr verbundenen Sanktion. Da die Sperrzeit kraft Gesetzes eintritt und unabhängig vom Bestehen eines Leistungsanspruchs kalendermäßig abläuft, ist es für Arbeitslose von praktischer und rechtlicher Bedeutung, im Vorhinein sicher erkennen zu können, für welche Zeit ihnen ihre Entgeltersatzleistung von der Beklagten aberkannt werden wird. Diesem Ergebnis stehen nach Auffassung des BSG auch keine unüberwindbaren Hindernisse im Hinblick auf die Verwaltungspraktikabilität entgegen, dass in der Vergangenheit es stets hat genügen lassen, wenn der Beginn der drohenden Sperrzeit mit der Formulierung „vom Tag nach (...) an” in Aussicht gestellt worden ist.
Im vorliegenden Fall wurde die dem Kläger mit der Maßnahmezuweisung übersandte Rechtsfolgenbelehrung
Zitat
„Brechen Sie die Maßnahme ab oder werden Sie wegen ihres maßnahmewidrigen Verhaltens durch den Maßnahmeträger oder die Agentur für Arbeit aus der Maßnahme ausgeschlossen, tritt eine Sperrzeit ein.”
diesen Anforderungen nicht gerecht. Die Formulierung beschränkte sich auf das „Ob” der Rechtsfolge und enthält keinen nachvollziehbaren Hinweis auf den Sperrzeitbeginn.
Hinweise:
- Die Notwendigkeit einer Rechtsfolgenbelehrung ist auch in weiteren Sperrzeittatbeständen normiert (s. § 159 Abs. 1 S. 2 Nr. 3, 6 – 8 SGB III). Die Belehrung muss stets konkret, verständlich, richtig und vollständig sein. Arbeitslosen ist zu erläutern, welche Rechtsfolgen bei versicherungswidrigen Verhalten eintreten. Die Belehrung kann nicht nachträglich ersetzt werden. Nicht ausreichend sind auch früher erteilte Belehrungen oder Hinweise auf ein Merkblatt, da eine auf die gegenwärtige individuelle Situation der Arbeitslosen bezogene Aufklärung erforderlich ist (s. etwa Brand/Karmanski, SGB III 9. Aufl., Rn 77 u. 100 jeweils m.w.N.).
- Eine ausführliche Anm. zu der Entscheidung des BSG findet sich bei Lehmann, info also 2023, 70, u.a. der Hinweis, die vom BSG für die Begründung seiner Auffassung hervorgehobene Aufklärungs- und Warnfunktion der Rechtsfolgenbelehrung gelte auch in Bezug auf die weiteren Tatbestände des § 159 Abs. 1 S. 2 SGB III. So auch für die Sperrzeit wegen Arbeitsablehnung (§ 159 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB III), LSG Nieders.-Bremen v. 23.6.2021 – L 11 AL 95/19, info also 2022, 28 u. v. 8.5.2018 – L 11 AL 67/16 NZB. Ferner legt Lehmann dar, unter welchen Voraussetzungen gegenüber belastenden, bestandkräft...