Ausreichend entschuldigt ist das Ausbleiben, wenn dem Angeklagten bei Abwägung aller Umstände des Einzelfalls daraus billigerweise kein Vorwurf gemacht werden kann (z.B. BVerfG, Beschl. v. 27.10.2006 – 2 BvR 473/06, NJW 2007, 2318; OLG Brandenburg, Beschl. v. 13.2.1997 – 2 Ss 10/97, NJW 1998, 842; BGH, Beschl. v. 26.5.2020 – 3 StR 595/19, NStZ-RR 2020, 287; OLG Köln, Beschl. v. 8.12.2009 – 81 Ss 77/09, StraFo 2010, 73; KK-Gmel, § 230 Rn 11). Ob diese Voraussetzungen vorliegen, hat das Gericht von Amts wegen im Freibeweisverfahren festzustellen.
Das Verschulden des Angeklagten hinsichtlich des Ausbleibens muss aber zweifelsfrei feststehen (OLG Hamm, Beschl. v. 15.2.2007 – 3 Ss 573/06). Insgesamt gelten zum Ausbleiben und auch zur Nachforschungspflicht des Gerichts betreffend die Hauptverhandlung 1. Instanz die Anforderungen zu § 329 StPO für das Ausbleiben in der Berufungshauptverhandlung entsprechend (Meyer-Goßner/Schmitt, § 230 Rn 16; aus der Rechtsprechung vgl. nur BayObLG, Beschl. v. 12.9.2000 – 5 St RR 259/00, StV 2001, 338; BayObLG, Beschl. v. 6.11.2002 – 5 St RR 279/02, NStZ-RR 2003, 87; BayObLG, Urt. v. 25.10.2022 – 206, StRR 286/22; KG, Beschl. v. 2.12.2021 – 3 Ws (B) 323/21, NStZ-RR 2022, 125; OLG Bamberg, Beschl. v. 28.11.2011 – 3 Ss OWi 1514/11, zfs 2012, 230; OLG Frankfurt, Beschl. v. 2.11.2015 – 1 Ss 322/15; OLG Hamburg, Beschl. v. 7.1.2016 – 2 Rev 87/15; OLG Hamm, Beschl. v. 8.4.1998 – 2 Ss 394/98, StraFo 1998, 233; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 16.12.2021 – 2 Rv 35 Ss 670/21, StraFo 1999, 25; OLG Köln, Beschl. v. 10.12.2008 – 2 Ws 613/08, NStZ-RR 2009, 112; OLG München, Beschl. v. 27.10.2008 – 5St RR 200/08, NJW 2008, 3797, zwei unterschiedliche Ladungen an einen geistig Behinderten; OLG München, Beschl. v. 27.6.2017 – 5 OLG 15 Ss 173/17, StV 2018, 151 [Ls.]; StraFo 2014, 79, privatärztliches Attest; OLG Nürnberg, Beschl. v. 19.1.2009 – 2 St OLG Ss 259/08, NJW 2009, 1761; OLG Schleswig, zfs 2006, 53 [OWi-Verfahren]; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 7.4.2005 – 1 Ss 40/05, zfs 2006, 233; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 19.1.2018 – 1 OWi 2 SsBs 84/17 [OWi-Verfahren]; LG Nürnberg-Fürth, Beschl. v. 5.2.2024 – 12 Qs 3/24 für das Strafbefehlsverfahren).
Hinweis:
Verbleiben trotz schlüssigem Vortrag des Angeklagten bei Gericht Zweifel am Entschuldigtsein, dürfen sich diese nicht zum Nachteil des Angeklagten auswirken (h.M.; vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, § 329 StPO Rn 22 m.w.N.).