1. Unterrichtungs- und Ablieferungspflicht, Vorrang
a) Unterrichtungs- und Ablieferungspflicht
§ 1820 Abs. 1 BGB wiederholt die bisherige Pflicht nach § 1901 BGB a.F. zur Unterrichtung des Betreuungsgerichtes über Vorsorgevollmachten, wenn ein Betreuungsverfahren läuft, sowie die Verpflichtung zur Vorlage einer Abschrift auf Verlangen des Betreuungsgerichtes. Für die Betreuungsverfügung ist die entsprechende Regelung nun in § 1816 Abs. 2 BGB zu finden.
b) Vorrang der Vorsorgevollmacht
aa) Ablieferung und ZVR-Abfrage
Durch die Vorlagepflicht gem. § 1820 Abs. 1 BGB soll der Vorrang der Vorsorgevollmacht vor der Betreuung und die Selbstbestimmung im Rahmen der Beteiligung im Betreuungsverfahren gesichert werden, wie es auch durch die Abfrage im ZVR (nun auch durch Ärzte, s.o.) gem. § 78a BNotO, § 6 VRegV geschehen soll. Leider ist die Abfrage für die Betreuungsgerichte nicht verpflichtend und Betreuungsbehörden können keine Abfragen durchführen.
bb) Subsidiarität der Betreuung
Gem. § 1814 Abs. 3 BGB entfällt die Erforderlichkeit einer Betreuung wie bisher bei einer ausreichenden Vorsorgebevollmächtigung (§ 1896 Abs. 2 S. 2 Hs. 1 BGB a.F.). Bei den Anforderungen an die Vorsorgevollmacht wurden die Worte „ebenso gut” klarstellend durch „gleichermaßen” ersetzt, da ein Berufsbetreuer bei wörtlicher Auslegung der alten Formulierung aufgrund seiner Qualifikation und Übung einem ehrenamtlichen Bevollmächtigten in den rechtlichen Bereichen regelmäßig überlegen ist. Allein deshalb soll aber keine Betreuung trotz bestehender Vorsorgevollmacht eingerichtet werden.
Ausgeschlossen als vorrangige Bevollmächtigte sind die bisher in § 1897 Abs. 3 BGB a.F. und nun in § 1816 Abs. 6 BGB genannten Personen, die den Betroffenen professionell versorgen, wobei der Kreis sinnvollerweise deutlich ausgeweitet wurde. So geht es nicht mehr nur um Angestellte von Einrichtungen, in denen der Betroffene wohnt, sondern auch um andere Versorgende wie Mitarbeiter von ambulanten Pflegediensten.
Allerdings enthält § 1816 Abs. 6 BGB in S. 2 eine Öffnungsklausel bei fehlender Interessenkollision in Bezug auf den Arbeitgeber. Dies ist nach hier vertretener Ansicht verfehlt. Das dringlichere Problem, welches die Vorsorgebevollmächtigung solcher Personen problematisch erscheinen lässt, ist die Missbrauchsgefahr. Pflegekräfte erhalten regelmäßig einen tiefen Einblick in die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der versorgten und besonders vulnerablen Menschen. Sie wissen also, wann eine Einflussnahme lukrativ und ob und wie die gepflegte Person zu beeinflussen ist.
2. Kontrollbetreuung
Kann ein Vollmachtgeber seinen Bevollmächtigten nicht mehr kontrollieren, kommt eine Kontrolle durch einen vom Gericht eingesetzten Betreuer in Betracht. Dies war in den vergangenen Jahren öfter Gegenstand der Rechtsprechung insbesondere des BGH. Mit der Reform wurden die Voraussetzungen für die Einrichtung einer Kontrollbetreuung ausführlicher geregelt und die möglichen Befugnisse des Kontrollbetreuers erweitert.
Bemerkenswert ist zunächst, dass in der Überschrift des § 1820 BGB diese Form der Betreuung ausdrücklich als „Kontrollbetreuung” benannt wurde, sodass Begriffe wie „Überwachungsbetreuung” nicht mehr fachgerecht sind. Das ändert allerdings nichts daran, dass die Kontrollbetreuungen Betreuungen wie alle anderen auch sind. Die Kontrollbefugnisse können alleine oder neben anderen Aufgabenbereichen angeordnet werden. Das Verfahren wurde dahingehend geändert, dass die Einrichtung nicht mehr dem Rechtspfleger obliegt, was der BGH schon zurecht kritisiert hatte.
a) Voraussetzungen
aa) Unfähigkeit des Vollmachtgebers zur Kontrolle
Die Voraussetzungen für die Kontrollbetreuung sind im dritten Absatz des § 1820 BGB geregelt, die Rechtsfolgen in dem des § 1815 BGB. Erste Bedingung ist die Unfähigkeit des Vollmachtgebers, seine Rechte gegenüber dem Bevollmächtigten auszuüben, was entsprechend § 1814 BGB die Betreuungsbedürftigkeit erfordert. Müller-Engels führt zutreffend aus, dass allein eine körperliche Einschränkung nicht ausreicht, auch wenn dies (für alle Betreuungen) nicht mehr explizit formuliert wurde. Die Geschäftsunfähigkeit sollte allerdings nach hier vertretener Ansicht nicht Kriterium sein. Zwar wird sie meist vorliegen, wenn eine Kontrollbetreuung angeordnet wird. Sie zeigt sich aber in der Praxis der unlauteren Einflussnahme auf ältere Menschen als ein problematisches Kriterium. Immer wieder können oder wollen Sachverständige aus der eine Ausnahmesituation darstellenden Testung keine Geschäftsunfähigkeit älterer Menschen feststellen. Tatsächlich unterliegen die Betroffenen aber bei Abwesenheit schützender Dritter oft massiver Einflussnahme der Bevollmächtigten, derer sie sich nicht erwehren können. Dieser Zustand, der hier „Beinflussbarkeit” genannt wird, könnte und müsste wohl als Geschäftsunfähigkeit gewertet werden. Er wird aber, regelmäßig auch mangels ausreichender Kenntnis des Sachverständigen um diese Umstände, häufig nicht erkannt oder in diesem Sinne gewertet. Die Unfähigkeit der Rechteausübung gegenüber dem Bevollmächtigten ist also nach hier vertretener Ansicht ausreichend und keine Feststellung der Geschäftsunfähigkeit erforderlich.
bb) Anhaltspunkte für Schlechtgebrauch oder Missbrauch durch Bevollmächtigten
Es sind konkrete Anhaltspunkte für einen Schlechtgebrauch oder Missbrauch der Vorsorgevoll...