Untersucht man die Rechtsprechung zu § 2315 und § 2316 BGB im Hinblick auf die Fragestellung, was alles eine "Zuwendung" im Sinne der §§ 2315 und 2316 BGB sein kann, so erkennt man zunächst, dass die durch den Bundesgerichtshof ergangene Rechtsprechung zu diesem Thema eher dünn geblieben ist. Man findet jedoch mehrere Entscheidungen des Reichsgerichts. Betrachtet man zunächst § 2315 BGB, die "einfachere" der beiden Vorschriften, die lediglich das Verhältnis zwischen Erbe bzw. Erbengemeinschaft und Pflichtteilsberechtigten betrifft, innerhalb der Erbengemeinschaft aber keine Wirkung entfaltet, so ist das Ergebnis eindeutig. Unter einer Zuwendung im Sinne des § 2315 BGB versteht man alle freigebigen Vermögensabflüsse des Erblassers, die den künftigen Nachlass schmälern. Vermögensabflüsse an künftige Erben bzw. Pflichtteilsberechtigte, die auf einer rechtlichen Verpflichtung beruhen, also insbesondere Unterhaltsleistungen an die Kinder, sind in diesem Sinne nicht "freigebig" und können daher auch nicht zur Anrechnung gestellt werden.
Der Zuwendungsbegriff des § 2316 BGB ist streng genommen nicht vorhanden. Er existiert nur im Zuwendungsbegriff der allgemeinen Ausgleichungsvorschriften für die Erbengemeinschaft, also in den §§ 2050 bis 2055 BGB, denn hierauf wird in § 2316 BGB verwiesen. Der Referentenentwurf lässt daher konsequenterweise den Wortlaut des § 2316 BGB völlig unangetastet und erweitert lediglich den Wortlaut des § 2050 Absatz 1 und 3 BGB. Das Gesetz unterscheidet dort vier Arten von Vorempfängen, nämlich Ausstattungen (§§ 2050 Absatz 1, 1624 BGB), Zuschüsse (§ 2050 Absatz 2 Variante 1 BGB), ein Übermaß an Aufwendungen für die Vorbildung zum Beruf (§ 2050 Absatz 2 Variante 2 BGB) und "andere Zuwendungen", für die Ausgleichung angeordnet wurde (§ 2050 Absatz 3 BGB). Möglicherweise aufgrund dieser mehrfachen Artenbildung des Gesetzes ist der Zuwendungsbegriff der Ausgleichungsvorschriften des BGB unklarer als der Zuwendungsbegriff des § 2315 BGB. Ausreichend soll hier jeder Vermögensvorteil sein, der dem Vermögensempfänger zuteil wird, gleich ob rechtsgeschäftlich oder durch Realakt zugeflossen; jede Maßnahme, durch die dem Abkömmling auf Kosten des künftigen Nachlasses ein Vermögensvorteil zufließt, durch den wiederum das Auseinandersetzungsguthaben der übrigen Erben verringert wird, soll "Zuwendung" im Sinne des § 2050 BGB sein können. Der Zuwendungsbegriff des § 2050 BGB wird in weiten Teilen der Literatur also weiter verstanden als der Zuwendungsbegriff des § 2315 BGB. Im Rahmen des Zuwendungsbegriffs der §§ 2050 ff BGB sollen nicht nur die freigebigen Hingaben von etwas, sondern auch die aufgrund einer gesetzlichen Verpflichtung beruhenden Leistungen des Erblassers eine Zuwendung im Sinne des § 2050 Absatz 3 BGB sein können. Bedenkt man weiter, dass nach dieser weiten Auffassung die Zuwendung noch nicht einmal rechtsgeschäftlich erfolgt sein muss, so erkennt man, dass diese Auffassung jetzt, d. h. unter der Geltung des geplanten neuen Rechts, der "Todesstoß des Pflichtteilsrechts" werden könnte. Man könnte geneigt sein anzunehmen, dass dann so ziemlich alles, was man seinen Kindern im Laufe der Jahre ohne Gegenleistung zugewendet hat, irgendwie in einer Ausgleichungsanordnung Niederschlag finden kann, letztlich es hier nur auf die Formulierungskunst des Erblassers ankommen würde.
Die weite Auffassung des Zuwendungsbegriffs war bisher schon falsch. Auf der Basis des geplanten neuen Rechts wäre sie fatal. Kasper hat in seiner Monographie deutlich herausgearbeitet, dass das erweiterte Verständnis des Zuwendungsbegriffs auf einer Entscheidung des Reichsgerichts aus dem Jahre 1910 basiert, dieses Urteil seinerseits bereits einen Bruch mit der vorher ergangenen Rechtsprechung des Reichsgerichtes, aber auch der nachfolgenden viel zitierten Entscheidung aus dem Jahre 1938 darstellte. In dieser Entscheidung aus dem Jahre 1938 stellte das Reichgericht fest, dass Leistungen, die dem Zuwendungsempfänger aufgrund eines diesem zustehenden Rechts zugeflossen seien, also nicht freigebig erfolgten, weder nach § 2050 Absatz 1 BGB noch nach Absatz 3 der Vorschrift auszugleichen seien. Nur Letzteres kann richtig sein. So sah es bereits der historische Gesetzgeber, denn es heißt in den Motiven des BGB: "...dass Erfüllung einer Verbindlichkeit keine Zuwendung ist, bedarf einer besonderen Hervorhebung nicht." Es spricht viel dafür, in § 2050 Absatz 2 Var. 2 BGB den Grundtatbestand der Ausgleichungsvorschriften zu erblicken. In ihm ist die richtige Systematik der Norminterpretation angelegt, heißt es doch dort, dass (nur) diejenige Aufwendung für die Vorbildung zu einem Beruf insoweit zur Ausgleichung zu bringen ist, die das die Vermögensverhältnisse des Erblassers entsprechende Maß überstiegen hat. Damit scheiden alle gesetzlichen Unterhaltspflichten gemäß § 1601 BGB von vornherein aus. Die Ausgestaltung der gesetzlichen Unterhaltspflicht ist demnach per se für angemessen zu halten.