5. 1 Unzulässiges Anknüpfen an die Ehe
Die verfassungsrechtlichen Anforderungen an Rechtsgeschäfte zwischen Ehegatten gelten allgemein, also über das Steuerrecht hinaus auch für das Pflichtteilsrecht. Hier wie dort darf allein der Umstand, dass zwei Personen miteinander verheiratet sind, nicht zum Anlass für eine Differenzierung gegenüber Ledigen genommen werden. Aber genau das erfolgt in § 2325 Abs. 3 2. Halbsatz BGB: Das Hinausschieben des Fristbeginns beruht allein auf der Ehe. Denn der fortbestehende Genuss des Gegenstandes und eine Benachteiligungsabsicht werden für jede Ehe unterstellt. Anders als in den §§ 2287, 2288 BGB, in denen eine konkrete Beeinträchtigungsabsicht gefordert wird, sind sie keine Tatbestandsmerkmale. Sie müssen daher nicht feststehen, eine Einzelfallprüfung unterbleibt. Und umgekehrt: Bei Drittschenkungen wird allgemein unterstellt, dass keine Benachteiligungsabsicht vorliegt. Denn sie ist auch bei ihnen kein Tatbestandsmerkmal.
5.2 Wertungswiderspruch
Nach der Rechtsprechung des BVerfG bedeutet die Systemwidrigkeit einer Regelung für sich allein keinen Verstoß gegen den Gleichheitssatz. Sie ist aber Indiz für einen solchen Verstoß, und sie wird zum Verstoß, wenn die Abweichung vom System nicht hinreichend gerechtfertigt ist. Aus diesem Grund bedürfen Abweichungen, die eine vom Gesetzgeber statuierte Sachgesetzlichkeit verlassen, eines sachlichen Grundes.
Die Günstigerregelung für den Pflichtteilsberechtigten steht in Widerspruch zu den Regeln des Anfechtungsrechts und zu einem das BGB prägenden Prinzip, wonach der unentgeltliche Erwerber weniger Schutz genießt als derjenige, der entgeltlich erworben hat.
Während ein Gläubiger, der eigenes Einkommen oder Vermögen aufgewendet hat, um seinen Anspruch zu erwerben, die Zugriffsmöglichkeit auf eine Ehegattenschenkung in jedem Fall spätestens nach zehn Jahren verliert, behält sie der Pflichtteilsberechtigte, der seinen Anspruch ohne Gegenleistung erworben hat, ohne jede Befristung, vorausgesetzt, die Ehegatten bleiben verheiratet. Das bedeutet zugleich, dass in Umkehrung des allgemeinen Prinzips derjenige, der seinen Anspruch unentgeltlich erworben hat, besser behandelt wird als der entgeltliche Erwerber.
Gewiss, das Pflichtteilsrecht ist durch die Erbrechtsgarantie des Grundgesetzes geschützt und damit auch der daraus erwachsende Pflichtteilsanspruch. Daher ist es angezeigt, Vermeidungsstrategien, die mit Hilfe von Schenkungen verfolgt werden, zu begegnen. Aber ein Gläubiger, der sein Recht durch Eigenleistung erworben hat, also entgeltlich, ist nicht minder schützbedürftig und schutzwürdig, denn sein Anspruch ist Eigentum im Sinne des Art. 14 Abs. 1 GG. Der Pflichtteilsberechtigte hat ein Recht auf unentgeltliche Teilhabe am Nachlass, aber sein auf einen Geldanspruch reduziertes Erbrecht ist im Vergleich zum Eigentum eines andern Gläubigers kein besseres Recht. Demzufolge gibt es keinen sachlichen Grund, der es rechtfertigen könnte, dem Pflichtteilsberechtigten bei der Durchsetzung seines Teilhaberechts ein Mehr an Rechten zu geben als dem Eigentümer, der seinen Geldanspruch nicht aufgrund unentgeltlicher Teilhabe, sondern aufgrund einer Gegenleistung erworben hat.