a) Gutachten
Trotz dieser Mängel wird das vereinfachte Ertragswertverfahren aufgrund seiner Praktikabilität künftig den Ausgangspunkt der Unternehmensbewertung bilden. Der so gefundene Wert muss von dem Unternehmer und seinen Beratern daraufhin überprüft werden, ob er sich bei einem unterstellten Verkauf tatsächlich erzielen ließe. Sofern diese Frage zu verneinen ist, müssen Gutachten zum Unternehmenswert eingeholt werden. Dieser Markt wird sich daher deutlich erweitern. Für den Bereich der Unternehmensbewertung sieht das Gesetz anders als die §§ 165 Abs. 3, 167 Abs. 4 BewG für land- und forstwirtschaftliches Vermögen bzw. § 198 BewG für Immobilien keine ausdrückliche Öffnungsklausel vor. Da das vereinfachte Ertragswertverfahren nur angewendet werden "kann", wenn es nicht zu offensichtlich unzutreffenden Ergebnissen führt (§ 199 BewG), und § 11 Abs. 2 BewG ausdrücklich "andere anerkannte auch im gewöhnlichen Geschäftsverkehr für nicht steuerliche Zwecke übliche" Methoden zulässt, ist mE auch insoweit der Nachweis des niedrigeren Verkehrswerts eröffnet. Eine andere Betrachtungsweise würde der vom BVerfG geforderten bewertungsrechtlichen Gleichbehandlung widersprechen.
b) Substanzwert
Nach § 11 Abs. 2 Satz 3 BewG darf der anhand der Ertragsaussichten ermittelte Wert den Substanzwert nicht unterschreiten. In den künftig anstehenden Verhandlungen zwischen Steuerpflichtigem und Finanzverwaltung wird dieser Wert von erheblicher Bedeutung sein. Der Begriff "Substanzwert" ist mE wegen der Vorgabe des BVerfG und der Maßgeblichkeit des Ertragswertverfahrens im Sinne des Liquidationswerts auszulegen. Denn z. B. Großfeld legt dar:
Zitat
"Der Substanzwert taugt selbst als Mindestwert nicht. Niemand zahlt für einen Nachbau, der sich nicht lohnt, ob er sich lohnt, hängt aber ab von den erhofften Überschüssen."
Diese Aussage entspricht der Erwägung des BVerfG, wonach die Ertragswertmethode davon ausgeht, dass ein potenzieller Käufer den Kaufpreis danach bemessen würde, wie viel Kapital er anderweitig anlegen müsste, um denselben Ertrag zu erwirtschaften. Auch in der Rechtsprechung wird der Liquidationswert in Form des Saldos der fiktiven Nettoerlöse der Liquidation abzüglich der angenommenen Liquidationskosten als Untergrenze angesehen. Zu diesen Liquidationskosten zählen u. a. die Geschäftsführungs-, Veräußerungs-, Herauslösungs-, Ausbau-, Rückbau-, Rekultivierungs-, Dekontaminierungs- und Abbruchkosten einschließlich Steuern. Bei dieser Interpretation steht die Wertuntergrenze des § 11 Abs. 2 S. 3 BewG in Übereinstimmung mit den Erwägungen des BVerfG und den betriebswirtschaftlichen Grundsätzen. Nach der Begründung des Regierungsentwurfs ist der Liquidationswert als besondere Ausprägung des Substanzwerts jedenfalls dann maßgeblich, wenn feststeht, dass die Gesellschaft nicht weiter betrieben werden soll.