Dies dürfte Auswirkungen auch für die Auslegung der Erbunwürdigkeitsgründe haben. Zwar hat der Reformgesetzgeber die Vorschriften der §§ 2339–2345 ff BGB nicht geändert und finden sich in den Begründungen zum Gesetzesentwurf vom 2.7.2009 und seinen Vorläufern keine entsprechenden Erwägungen. Dies dürfte, worauf Helms zu Recht hinweist, damit zusammenhängen, dass die Reformdiskussion vor allem unter dem Blickwinkel des Verhältnisses zwischen Testierfreiheit und dem Prinzip des Verwandtenerbrechts geführt wurde und die Pflichtteilsentziehung, anders als die Erbunwürdigkeit, auf einer direkten Willensäußerung des Testierenden beruht. Allerdings hat der Reformgesetzgeber auch den Pflichtteilsentziehungsgrund des § 2333 Ziff. 1 BGB ("nach dem Leben trachten") nicht geändert, ohne dass nach der Begründung zum Gesetzentwurf vom 2.7.2009 zweifelhaft sein sollte, dass für dessen Verwirklichung nunmehr "natürlicher Vorsatz" ausreicht.
a) Normzweck der §§ 2339 ff BGB: u. a. Ergänzung des Pflichtteilsentziehungsrechts
Nach herrschender Meinung besteht der Normzweck der §§ 2339 ff BGB in einer Ergänzung insbesondere der §§ 2333 ff BGB, was sich für den in § 2339 Abs. 1 Ziff. 1 BGB normierten Tötungsversuch auch in einer Auslegung zeigt, die im Einklang mit § 2333 Ziff. 1 BGB ("nach dem Leben Trachten") steht. Angesichts dessen erscheint es als konsequent, spätestens mit dem Inkrafttreten des Erbrechtsreformgesetzes auch für die vorsätzliche und widerrechtliche Tötung und den Tötungsversuch gemäß § 2339 Abs. 1 Ziff. 1 BGB nicht mehr (volle) strafrechtliche Schuld zu verlangen, sondern "natürlichen Vorsatz" ausreichen zu lassen. Die noch vor dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 19.4.2005 zum seinerzeit anhängigen Verfahren, 1 BvR 1644/00, geäußerte gegenteilige Ansicht von Helms beruft sich auf die restriktive Gesetzesfassung, die noch nicht einmal die fahrlässige Tötung umfasse. Dagegen spricht aber, dass in Hinblick auf den vom Bundesverfassungsgericht herausgearbeiteten Gesichtspunkt der Unzumutbarkeit der Nachlassteilhabe ein deutlicher Unterschied zwischen der vorsätzlichen (wenngleich schuldlosen) Tatbegehung einerseits und der fahrlässigen Tatbegehung andererseits besteht.
b) Die Gesetzgebungsgeschichte
Für einen Willen des Gesetzgebers zur restriktiven Auslegung des Erbunwürdigkeitsgrundes der vorsätzlichen und rechtswidrigen Tötung geben die Gesetzesmaterialien im Übrigen nichts her. Zwar enthielt die einschlägige Vorschrift der ersten Entwurfsfassung zum BGB, der E I § 2045 noch nicht den Tatbestand des Tötungsversuchs, allerdings findet sich bereits zum Tatbestand der vorsätzlichen und widerrechtlichen Tötung in den Motiven die Begründung, dass – auf der subjektiven Seite – der Wille zur Tötungshandlung ausreiche. Noch deutlicher ist die Begründung durch die 2. Kommission, dass "blutige Hand kein Erbe nehmen solle" und "durch die Tötung der Täter jedes Band zwischen sich und dem Erblasser zerrissen habe". Die Ablehnung des Tatbestands des Tötungsversuchs durch die 1. Kommission beruhte darauf, dass "nicht vom Gesichtspunkt der Strafe ausgegangen sei". Dem ist aber wohl lediglich die Zurückhaltung der 1. Kommission zu entnehmen, die Beurteilung der Erbunwürdigkeit dem Strafrecht mit seinen ggf. vom Zivilrecht abweichenden Wertungen zu überlassen. Die 2. Kommission sah auf entsprechenden Vorschlag eines Kommissionsmitglieds die Aufnahme des Tötungsversuchs demgegenüber als selbstverständlich an.
Mit Blick auf die Entstehungsgeschichte ist daher der Schluss auf einen restriktiven Gesetzgeberwillen hinsichtlich der Erbunwürdigkeitsgrunds der vorsätzlichen und rechtswidrigen Tötung nicht angebracht. Für einen derartigen Willen kann auch aus der Fassung der Erbunwürdigkeitsgründe allgemein nichts hergeleitet werden, denn nach zutreffender Ansicht geben diese für Verallgemeinerungen weder im Sinne einer extensiven noch einer restriktiven Auslegung Anlass.