War das Opfer weder deutsche noch türkische Staatsangehörige, wird – vorbehaltlich einer gemäß Art. 4 Abs. 1 Satz 2 EGBGB angenommenen Rückverweisung auf das deutsche Sachrecht – über Art. 25 Abs. 1 EGBGB oder vorrangiges staatsvertragliches Kollisionsrecht ggf. das materielle Erbrecht eines anderen Staates zur Anwendung berufen. Dieses Ergebnis, die Anwendung eines dem deutschen Rechtsanwender ggf. völlig fremden Rechts, ist Konsequenz des Festhaltens des IPR-Reformgesetzgebers am Anknüpfungspunkt der Staatsangehörigkeit des Erblassers, anstatt modernere wie den gewöhnlichen Aufenthalt zu wählen, wie es rechtspolitisch z.T. seit geraumer Zeit gefordert wird. Allerdings hat die Kommission der EU am 14. Oktober 2009 einen "Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und die Vollstreckung von Entscheidungen und öffentlichen Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines europäischen Nachlasszeugnisses" vorgelegt. Art. 16 des Vorschlags sieht vor, dass grundsätzlich die gesamte Rechtsnachfolge von Todes wegen dem Recht des Staates unterliegt, in dem der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte.
Handelt es sich bei dem durch das derzeitige deutsche IPR berufenen Recht um dasjenige eines Staates mit islamischer Rechtsordnung, d. h. einer Rechtsordnung, deren Rechtsquellen – vereinfacht ausgedrückt – vorrangig im Koran in der Sunna des Propheten Mohammeds, im Konsens der Rechtsgelehrten und den darauf aufbauenden Methoden der Rechtsfindung bestehen, steht der überlebende deutsche Ehemann vor dem Problem, sich ggf. in einer Erbengemeinschaft mit dem Mörder wiederzufinden.
a) Problem der Apostasie/interreligiöser Erbverbote
Es kommt nämlich in Betracht, dass nach einen heutzutage freilich kaum vorherrschenden Auffassung vom Koran die Hinwendung der Erblasserin zu den westlich orientierten Lebensformen als Apostasie im Sinne des Abfalls vom Islam aufgefasst wird, die ggf. den Verlust der bürgerlichen Rechte nach sich zieht, sodass sich die Frage eines zu vererbenden Nachlasses streng genommen überhaupt nicht stellt. Weniger weitgehend kommen interreligiöse Erbverbote vor, die den deutschen nicht muslimischen Ehemann als Erben ausschließen. Bereits derartige Rechtsinstitute werfen die Frage der Vereinbarkeit mit den deutschen (Grund-)Rechtsvorstellungen auf, die aus Raumgründen hier allerdings nicht vertieft werden kann.
b) Fehlende Erbunwürdigkeitsregelung gemäß dem islamischen Recht und deutscher ordre public
Auch wenn sich aus dem im Einzelfall anwendbaren islamischen Recht aus den vorgenannten Gesichtspunkten nichts gegen die (Mit-)Erbenstellung des überlebenden deutschen Ehemanns ergibt, mag das Problem auftreten, dass dieses Recht keinen Ausschluss des Mörders der Erblasserin von der Nachlassteilhabe unter dem Gesichtspunkt der Erbunwürdigkeit vorsieht. Dann stellt sich die Frage, ob dieser Ausschluss über die deutsche Sachrechtsvorschrift des § 2339 Abs. 1 Ziff. 1 BGB aufgrund der ordre public – Klausel des Art. 6 EGBGB – erreicht wird.
Allerdings wird die kollisionsrechtlich unbedingte Anwendung der deutschen Erbunwürdigkeitsgründe (einschließlich der Tötung des Erblassers gemäß § 2339 Abs. 1 Ziff. 1 BGB) z.T. verneint oder jedenfalls für zweifelhaft gehalten. Die Berechtigung dieser Auffassung soll im Folgenden genauer untersucht werden.
Art. 6 EGBGB bestimmt, dass eine Rechtsnorm eines anderen Staates nicht anzuwenden ist, wenn ihre Anwendung zu einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist. Sie ist insbesondere dann nicht anzuwenden, wenn die Anwendung mit den Grundrechten unvereinbar ist. Art. 6 EGBGB kommt auch in Betracht, wenn sich die Unvereinbarkeit aus dem Fehlen einer gesetzlichen Regelung des Auslandsrechts ergibt, hier also bei Fehlen von Erbunwürdigkeitsgründen. Nicht jede Abweichung des ausländischen vom deutschen Sachrechts (auch nicht von dessen zwingenden Normen) stellt allerdings einen Verstoß gegen den ordre public dar, vielmehr muss der Widerspruch zu den dem deutschen Recht zugrunde liegenden Gerechtigkeitsvorstellungen gerade untragbar sein.
Gemäß dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 19.4.2005 gebietet die Erbrechtsgarantie des ...