Leitsatz
Die Qualifikation der behaupteten Fakten darf vom liechtensteinischen Rechtshilfegericht im Hinblick auf die beiderseitige Strafbarkeit überprüft werden, besonders wenn es dabei vorfrageweise um liechtensteinisches Recht geht. Wenn die ausländische Behörde die Eigenständigkeit der Stiftung als juristische Person nicht anerkennt und somit einen Durchgriff durch die juristische Person vornimmt, ist vom Rechtshilfegericht für die beiderseitige Strafbarkeit sehr wohl zu prüfen, ob diese Rechtsfrage von der ersuchenden Behörde richtig gelöst wurde. Das bloße Faktum der Einräumung von Interventions- und Gestaltungsrechten zugunsten des Stifters genügt allein noch nicht, um eine Durchbrechung des für eine juristische Person typischen Trennungsprinzips vorzunehmen, sondern es ist auch tatsächlich eine Missbrauchsabsicht erforderlich. Eine konkrete Missbräuchlichkeit ist etwa dann gegeben, wenn mit einer Stiftung von Anfang an gezielt erbrechtliche Vorschriften umgangen werden sollen. Der Durchgriff und damit die Verneinung der rechtlichen Existenz der Stiftung muss im Lichte des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes als Ultima ratio mit großer Zurückhaltung Verwendung finden. Von den aus der Existenz der Stiftungen einen Vorteil ziehenden Privaten kann nicht verlangt werden, dass sie den Durchgriff gewissermaßen selbst vornehmen und das Stiftungsvermögen als Teil des Nachlasses deklarieren müssen. Die Nichtdeklaration des Stiftungsvermögens im Nachlassverfahren des Stifters ist dann strafbar, wenn dieser nicht nur zu Lebzeiten Begünstigter gewesen und das Stiftungsvermögen wirtschaftlich in den Nachlass gefallen wäre. Ist der Erblasser nur zu seinen Lebzeiten Begünstigter, so kann das Stiftungsvermögen von vornherein nicht in seinen Nachlass fallen. Es liegt dann insoweit nach liechtensteinischem Recht weder eine strafrechtlich relevante Täuschungshandlung durch die Nichtdeklaration des Stiftungsvermögens noch eine Untreue an diesem Stiftungsvermögen vor.
Liechtensteinischer Staatsgerichtshof, Entscheidung vom 16. September 2002 – StGH 2002/17 (s.a. Bezugnahme S. 4)
Sachverhalt
1. Mit Rechtshilfeersuchen vom 22.6.2001 begehrte das Nationale Untersuchungsgericht in Strafsachen Buenos Aires, Argentinien, vom zuständigen Gericht im Fürstentum Liechtenstein unter ausdrücklichem Anbot der Gegenseitigkeit die Übersendung von dort näher bezeichneten Unterlagen der vom Beschwerdeführer und der P Anstalt, Vaduz, gegründeten und verwalteten B Stiftung, insbesondere über deren Statuten, die innere Organisation sowie die Kontenbewegungen; dies deshalb, weil in Argentinien gegen A und den Beschwerdeführer ein Verfahren wegen des Verdachts des Betrugs und der untreuen Verwaltung nach Art. 173 Abs. 7 des argentinischen Strafgesetzbuchs anhängig sei. Aus diesem Rechtshilfeersuchen ergibt sich im Wesentlichen folgender Sachverhalt:
Der Beschwerdeführer sei der Sohn von Frau A. Diese wiederum sei mit Herrn R verheiratet gewesen. R sei am 20.6.1991 in Argentinien verstorben. Er habe aus erster Ehe zwei leibliche Nachkommen hinterlassen, nämlich C und P. Im Rahmen des Verlassenschaftsverfahrens seien, so die Verdachtslage im argentinischen Strafverfahren, von A und dem Beschwerdeführer Vermögenswerte des R, über die dieser im Fürstentum Liechtenstein verfügt hatte, nicht angegeben worden. Dadurch solle C und P ein Schaden entstanden sein.
Nach Eingang des Rechtshilfeersuchens wurde lic. iur. Sch, Partner des Rechtsanwaltsbüros B, zu den Gesellschaften und Stiftungen, die von der P Anstalt verwaltet wurden, als Zeuge befragt, wobei dieser ohne Vorbehalt eine Aussage zur Sache ablegte und mehrere Urkunden vorlegte. Aus dieser Einvernahme sowie aus den von ihm vorgelegten Urkunden ergibt sich, dass R und Frau A tatsächlich ab dem 19.7.1976 als wirtschaftlich Berechtigte der "B Foundation" anzusehen waren. Die "B Foundation" wurde im Jahre 1995 aufgelöst. Über welche Vermögenswerte die "B Foundation" konkret verfügte, konnte im Fürstentum Liechtenstein nicht erhoben werden.
2. Mit Beschluss vom 13.12.2001 verfügte das Landgericht gemäß Art. 52 Abs. 5 und Art. 55 Abs. 5 RHG die Ausfolgung diverser Urkunden sowie des Protokolls über die Einvernahme des Zeugen Sch vom 6.12.2001, dies unter den Auflagen des Art. 52 Abs. 4 RHG. Begründet wurde dies im Wesentlichen damit, dass die Voraussetzungen nach dem liechtensteinischen Rechtshilfegesetz für die Gewährung der erbetenen Rechtshilfe, insbesondere die beiderseitige Strafbarkeit, gegeben seien. Das Verschweigen von Vermögenswerten in einem Verlassenschaftsverfahren sei auch nach den Bestimmungen des liechtensteinischen Strafgesetzbuchs strafbar (§§ 146, 147 Abs. 2 StGB).
3. Gegen diesen Beschluss erhob der Beschwerdeführer Beschwerde beim Obergericht und beantragte, die Rechtshilfe wegen Fehlens der Gegenseitigkeit und der beiderseitigen Strafbarkeit zu verweigern.
4. Mit Beschluss vom 16.1.2002 gab das Obergericht der Beschwerde Folge, hob den angefochtenen Beschluss ersatzlos auf und stellte fest, dass die Leistung...