Tagungsbericht zum 32. Berliner Steuergespräch
Einführung
Ein Konzern als solcher mag eine wirtschaftliche Einheit bilden. Ein Steuersubjekt ist er nicht. Stattdessen wird jede konzernangehörige, wirtschaftlich unselbstständige, aber rechtlich selbstständige Kapitalgesellschaft als eigenständiges Steuersubjekt behandelt. In diesem Spannungsfeld zwischen wirtschaftlicher und rechtlicher Betrachtung stehen die Regelungen zur körperschaftsteuerlichen und gewerbesteuerlichen Organschaft. Mit Blick auf ausländische Gruppenbesteuerungssysteme wird das deutsche Organschaftskonzept wegen seiner strengen Voraussetzungen kritisiert, insbesondere für das Erfordernis eines zivilrechtlichen Ergebnisabführungsvertrags ("EAV"). Auch die Begrenzung auf das Inland bei Organgesellschaften wird als nicht mehr zeitgemäß angesehen, europarechtlich hinterfragt und ist Gegenstand eines Vertragsverletzungsverfahrens. Das 32. Berliner Steuergespräch – moderiert von Herrn Gert Müller-Gatermann – bot ein Diskussionsforum zum intensiven Austausch zwischen Steuerwissenschaft, Steuerpraxis und -politik, an dem neben den beiden Referenten Herrn Prof. Dr. Jürgen Lüdicke und Herrn Dr. Ingo van Lishaut auch Herr Prof. Dr. Norbert Herzig, Herr Hans-Herbert Krebühl sowie Herr Dr. Carl-Heinz Witt mitwirkten.
A. Vorträge
I. Neue Herausforderungen für moderne Konzerne
Lüdicke ging in seinem Vortrag darauf ein, dass die Herausforderungen der Globalisierung, das Niveau moderner Forschung und Entwicklung und die Komplexität zeitgemäßer Produktionsverfahren vielfach die Finanzkraft starker Konzerne erforderten. Konzerne bestünden aus einer Vielheit rechtlich selbstständiger Kapital- oder Personengesellschaften. Sie würden aber sowohl betriebswirtschaftlich wie auch rechtlich überwiegend als Einheit aufgefasst und behandelt, mit entsprechender Wahrnehmung des Konzerns als Einheit durch Arbeitnehmer, Management, Anteilseigner und Öffentlichkeit. Diese Auffassung stehe jedoch im Widerspruch zu der Ausgangslage im Steuerrecht, das jede konzernzugehörige Kapitalgesellschaft als eigenes Steuersubjekt, Personengesellschaften zumindest als eigenes Subjekt der Gewinnerzielung qualifiziere. Lüdicke ging im Einzelnen ein auf Anforderungen an die ertragsteuerliche Behandlung des Konzerns, Spannungen, die sich aus dem aktuellen Steuerrecht und der bestehenden Konzernwirklichkeit ergäben, Schwierigkeiten hinsichtlich Verlustvorträgen und der Grunderwerbsteuer bei Umstrukturierungen und skizzierte die Probleme der Organschaft.
II. Konzerneinheit als Durchbrechung des Subjektsteuerprinzips
Zu Beginn seines Vortrags betonte van Lishaut, dass die Durchbrechung des Subjektsteuerprinzips bei der Betrachtung des Konzerns als wirtschaftliche Einheit besondere Rechtfertigungs- und Stimmigkeitserfordernisse erfordere. In diesem Zusammenhang erläuterte er einzelne Organschaftsvoraussetzungen. Im Besonderen ging er auf die Probleme der internationalen Organschaft anhand verschiedener Fallbeispiele ein. Im Weiteren erörterte van Lishaut Lösungsalternativen zur Voraussetzung des EAV und referierte zur Zwischengewinneliminierung, bevor er sich umfassend dem Problem der grenzüberschreitenden Nutzung endgültiger Auslandsverluste widmete. Im Hinblick auf die Schaffung der Common Consolidated Corporate Tax Base (CCCTB) gab er zu bedenken, dass eine nationale Reform der Konzernbesteuerung nur ein Zwischenschritt sein könne.
B. Podiumsdiskussion
I. EAV als Ursache für Insellage Deutschlands
Nach Herzig gebe es seit Jahren offene Fragen und Reformerfordernisse unterschiedlicher Gewichtung. So seien oftmals kleine Hindernisse ursächlich dafür, dass Konzernumstrukturierungen erschwert würden; wie zum Beispiel die Grunderwerbsteuer, die bei konzerninternen Umstrukturierungen im Organkreis mehrfach anfallen könne. Das Problem sei, dass es einerseits eine grunderwerbsteuerliche Organschaft gebe, die eine wirtschaftliche Betrachtungsweise anerkenne, andererseits aber Grundstücksverlagerungen innerhalb des Organkreises unter Anwendung einer strikt rechtlichen Betrachtungsweise erneut besteuert würden. Der Kernpunkt bei der Fortentwicklung des deutschen Konzernsteuerrechts ist für Herzig, Lösungsmöglichkeiten für eine Organschaft ohne EAV begründen zu können. In diesem Zusammenhang sei das oftmals ins Spiel gebrachte Argument für den EAV fraglich, dass nur derjenige den Verlust geltend machen könne, der ihn auch wirtschaftlich trage. Das könne nur dann der Fa...