Leitsatz
§ 27 FGG aF, Art. 235 § 1, § 2 Satz 2 EGBGB, §§ 2077, 2268 Abs. 2 BGB, § 392 Abs. 3 ZGB-DDR
1. Im Erbscheinserteilungsverfahren kann der Beteiligte, dessen Beschwerde gegen einen Vorbescheid zurückgewiesen worden ist, auch noch nach anschließend erfolgter Erteilung des entsprechenden Erbscheins weitere Beschwerde mit dem Ziel der Aufhebung der vorinstanzlichen Entscheidungen und der Einziehung des erteilten Erbscheins einlegen.
2. Zur Auslegung eines nicht widerrufenen Testaments, mit dem der Erblasser seinen Ehegatten kurz nach der Heirat zum Alleinerben und dessen Kinder zu Ersatzerben berufen hat, in Fällen späterer Scheidung der Ehe.
3. Das Fehlen einer § 2077 BGB entsprechenden Regelung im Zivilgesetzbuch der DDR (ZGB) steht, wenn die Ehe vor der Wende geschieden wurde und der Erblasser nach dem Beitritt verstorben ist, einer Auslegung des unter der Geltung des ZGB errichteten Einzeltestaments nach Maßgabe dieser dispositiven Auslegungsregel des BGB nicht entgegen. Entbehrlich wäre eine Auslegung nur, wenn die Erbeinsetzung des Ehegatten, was ernstlich in Betracht kommt, mit Scheidung der Ehe analog der Bestimmung für das gemeinschaftliche Testament in § 392 Abs. 3 ZGB schon zu DDR-Zeiten endgültig hinfällig geworden wäre.
Oberlandesgericht Dresden, 3. Zivilsenat, Beschluss vom 10. September 2009 – 3 W 673/09
Sachverhalt
Die Beteiligten streiten über die Erbfolge nach dem kinderlos gebliebenen Erblasser, der sich am 2.7. ... im Alter von 65 Jahren selbst getötet hat.
Der Erblasser war seit dem 13.5.1978 in zweiter und letzter Ehe mit der damals 34 Jahre alten Beteiligten zu 5 verheiratet; beide waren zuvor verwitwet. Die Beteiligten zu 6 und 7, die beiden seinerzeit 11 und 12 Jahre alten Töchter der Beteiligten zu 5 aus erster Ehe, nahmen noch im Monat der Eheschließung wie ihre Mutter den Familiennamen des Erblassers an. Alle vier lebten im Hause des Erblassers in Z, einer Gemeinde am Rande der Stadt A.
Am 3.4.1979 errichtete der Erblasser vor der Notarin K des Staatlichen Notariats A "nach Belehrung über die erbrechtlichen Bestimmungen" folgendes
Durch Urteil des Kreisgerichts A vom 6.9.1983 wurde die Ehe mit Rechtskraft seit dem 15.10.1983 geschieden. Der Erblasser zog später nach A um. Mindestens zeitweilig lebte er mit einer anderen Lebensgefährtin zusammen. Zwischen 1985 und 2000 hatte er nach dem streitigen Vorbringen der Beteiligten zu 5 zu dieser noch gelegentlichen Kontakt. Insbesondere habe er ihr bei einem Treffen im April 1987 in einer Gaststätte in S sein Familienbuch samt darin befindlichem Testament mit den Worten übergeben: "Das Testament ist für euch ausgestellt und so soll es auch bleiben. Ich habe ja sonst niemanden, dem ich es geben kann." Eine anderweitige Verfügung von Todes wegen hat er nicht hinterlassen.
Die Beteiligten 1 bis 4 sind als in A wohnhafte Geschwister bzw. (Beteiligter zu 3) als Sohn eines vorverstorbenen Bruders des Erblassers dessen gesetzliche Erben. Sie haben im August 2004 unter Hinweis auf § 2077 BGB die Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins beantragt, der sie zu je 1/4 als Erben ausweist. In der Sitzung vom 31.3.2006, in der das Nachlassgericht entsprechend seiner Hinweisverfügung vom 7./8.3.2006 die Beteiligten persönlich anhörte und einen Zeugen vernahm, hat die Beteiligte zu 5 ihrerseits einen sie als Alleinerbin bezeugenden Erbschein beantragt.
Am 12.1.2007 hat das Nachlassgericht einen Vorbescheid zugunsten der Beteiligten zu 1 bis 4 erlassen. Das notarielle Testament vom 3.4.1979 stehe dem Eintritt der gesetzlichen Erbfolge nicht entgegen. Zwar sei es mit Rechtskraft der Ehescheidung nicht kraft Gesetzes unwirksam geworden, da die entsprechende Regelung in § 392 Abs. 3 ZGB nur für ein gemeinschaftliches, nicht aber für ein Einzeltestament gelte. Die damit gebotene, nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch vorzunehmende Auslegung ergebe aber unter Berücksichtigung von § 2077 BGB die Unwirksamkeit der Erbeinsetzung der Beteiligten zu 5 mit Scheidung der Ehe. Selbst bei Zugrundelegung des gesamten Vorbringens der Beteiligten zu 5 lasse sich ein wirklicher oder mutmaßlicher Wille des Erblassers, sie auch für den Scheidungsfall als seine Alleinerbin einzusetzen, nicht feststellen. Die Beteiligten zu 6 und 7 seien ebenfalls nicht testamentarische Erben geworden. Der Ersatzerbfall sei nicht eingetreten. Maßgeblich sei auch insoweit der im Testament zum Ausdruck gekommene Wille des Erblassers. Ein Wille, den Bedeutungsgehalt des Begriffs "Ersatzerbe" weiter zu ziehen, als es der damals geltenden Vorschrift des § 378 ZGB entsprochen habe, sei zumal angesichts der notariellen Belehrung nicht erkennbar. Keiner der drei in der Vorschrift genannten Ersatzerbfälle liege vor.
Die gegen den Vorbescheid am 2.2.2007 eingelegte Beschwerde hat das Landgericht am 1.11.2007 ohne weitere Ermittlungen beschieden und mit im Wesentlichen gleicher Argumentation zurückgewiesen. Anschließend hat das Nachlassgericht den Beteiligten zu 1 bis 4 am 16.1.2008 den beantragten Erbschein erteilt.
Durch ihren...