Das Ergebnis von Variante 2 dürfte Erblasser erfreuen, die die Anrechnungsbestimmung nach § 2315 Abs. 1 BGB bei der Schenkung "vergessen" haben und nunmehr durch Vereinbarung eines Vertrags zugunsten Dritter auf den Todesfall mit Begünstigung des voraussichtlichen Erben über den "Trick" des § 2327 Abs. 1 Satz 1 BGB ohne eigenes lebzeitiges Vermögensopfer zu einer "Anrechnung ohne Anrechnungsbestimmung" gelangen.
Wertungsmäßig erscheint dieses Ergebnis fragwürdig: Aus Sicht des Erblassers macht es keinen großen Unterschied, ob er dem Erben einen Teil seines Vermögens direkt über § 1922 Abs. 1 BGB (wie im Beispielsfall) oder aber indirekt über einen Vertrag zugunsten Dritter auf den Todesfall nach den §§ 328 Abs. 1, 331 Abs. 1 BGB (wie in Variante 2) zukommen lässt. In beiden Fallkonstellationen tritt der gleiche vom Erblasser gewünschte Effekt ein: Der Begünstigte erhält den Zuwendungsgegenstand (erst) mit dem Tod des Erblassers und der Erblasser kann zu Lebzeiten noch frei über diesen Gegenstand verfügen. Die Interessen des Erblassers können folglich nicht erklären, warum sich der Pflichtteilsberechtigte das ohne Anrechnungsbestimmung erfolgte Eigengeschenk in Variante 2 anrechnen lassen muss, nicht aber im Beispielsfall.
Eine unterschiedliche Behandlung beider Fälle lässt sich auch mit den Interessen des Pflichtteilsberechtigten nicht rechtfertigen. Sein Vertrauen, beim Erbfall in Höhe der Pflichtteilsquote am Vermögen des Erblassers zu partizipieren, ohne sich das Eigengeschenk anrechnen lassen zu müssen, ist beide Male gleichermaßen schutzwürdig: In beiden Fällen gehörte der Anspruch gegen die Sparkasse in Höhe von 60.000 EUR bis zur "logischen Sekunde" vor dem Tod des Erblassers zu dessen Vermögen; in beiden Fällen vertraute der Pflichtteilsberechtigte darauf, dass er beim Erbfall an diesem Vermögenswert partizipiert. Ob der Anspruch gegen die Sparkasse bei Tod des Erblassers unter Wahrung seiner Identität nach § 1922 Abs. 1 BGB auf den Erben übergeht und in den Nachlass fällt, oder ob dieser Anspruch erlischt und an seine Stelle der hiermit rechtlich nicht identische Anspruch des Dritten aus den §§ 328 Abs. 1, 331 Abs. 1 BGB tritt, ist für den Pflichtteilsberechtigten nicht vorhersehbar.
I. "Schenkungslösung" der Rechtsprechung als Ursache
Die Ursache für das wertungsmäßig wenig überzeugende Ergebnis in Variante 2 liegt nicht in der – auf Grundlage der Rechtsprechung konsequenten (!) – Anwendung des § 2327 Abs. 1 Satz 1 BGB, sondern in der Prämisse der Rechtsprechung, die das Valutaverhältnis eines Vertrags zugunsten Dritter auf den Todesfall als lebzeitige Schenkung nach §§ 516 ff BGB einordnet. Dies begegnet insofern Bedenken, als der Erblasser beim Vertrag zugunsten Dritter auf den Todesfall zu Lebzeiten zugunsten des Dritten nichts aufgibt, sodass die vom Erblasser erstrebten Rechtswirkungen im Valutaverhältnis zum Dritten nur diejenigen eines Rechtsgeschäfts von Todes wegen sind. Ordnet man das Valutaverhältnis gleichwohl mit der Rechtsprechung als Rechtsgeschäft unter Lebenden ein, so wird der Vertrag zugunsten Dritter auf den Todesfall zu einem "listigen Schleichweg am Erbrecht vorbei": Der Erblasser kann die für ihn günstigere Anrechnungsnorm § 2327 Abs. 1 Satz 1 BGB ausnutzen, ohne aber – wie ansonsten bei lebzeitigen Schenkungen – hierfür ein eigenes Vermögensopfer zugunsten des beschenkten Dritten erbringen zu müssen.
II. "Vermächtnislösung" als Abhilfe
Die wertungsmäßig unbefriedigende Möglichkeit einer "Anrechnung ohne Anrechnungsbestimmung" in Variante 2 lässt sich vermeiden, wenn man das Valutaverhältnis eines Vertrags zugunsten Dritter auf den Todesfall als Rechtsgeschäft von Todes wegen einordnet, und zwar als Forderungsvermächtnis, das – mit Ausnahme der aufgrund einer teleologischen Reduktion nicht anwendbaren Formvorschriften – dem Erbrecht unterliegt.
1. Inhalt der Konstruktion
Dogmatisch ist diese Konstruktion verbunden mit einer Auslegung der §§ 328 Abs. 1, 331 Abs. 1 BGB als abstrakter Tatbestand zur Übertragung der gegen den Versprechenden (Lebensversicherer, Sparkasse, Bank) gerichteten Forderung. Der Dritte ...