Variante 1: Der Erblasser (Erbfall 2009) ist an einer deutschen Holding-GmbH & Co. KG zu 100 % beteiligt. Die deutsche Holding beschäftigt 11 Arbeitnehmer. Diese wiederum hält Anteile iHv 25 % an einer GmbH & Co.KG in Österreich. Die österreichische Gesellschaft beschäftigt 10.000 Arbeitnehmer und betreibt allein das operative Geschäft.
Variante 2: Der Erblasser (Erbfall 2009) ist an einer deutschen Holding-GmbH & Co. KG zu 25 % beteiligt. Die deutsche Holding beschäftigt 11 Arbeitnehmer. Diese wiederum hält Anteile iHv 100 % an einer GmbH & Co. KG in Österreich. Die österreichische Gesellschaft beschäftigt 10.000 Arbeitnehmer und betreibt allein das operative Geschäft.
In beiden Varianten vererbt der Erblasser begünstigtes Betriebsvermögen nach § 13 b Abs. 1 Nr. 2 ErbStG. Das Vermögen der inländischen Beteiligungsgesellschaft besteht nicht mehrheitlich (also zu mehr als 50 %) aus Verwaltungsvermögen, § 13 b Abs. 2 Nr. 3 ErbStG. Die Bewertung des steuerpflichtigen Erwerbs (§ 10 ErbStG) erfolgt nach § 12 ErbStG. Dieser unterscheidet bei der erbschaftsteuerlichen Bewertung von Betriebsvermögen zwischen Inland und Ausland. Für das inländische Betriebsvermögen gelten über § 12 Abs. 5 ErbStG iVm §§ 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 157 Abs. 5, 109 Abs. 1 Satz 2 bzw. Abs. 2 Satz 2 BewG die Bewertungsgrundsätze wie für Anteile an Kapitalgesellschaften, § 11 Abs. 2 iVm § 199 Abs. 2 BewG (gemeiner Wert). Für die Bewertung des ausländischen Betriebsvermögens sind gem. § 12 Abs. 7 ErbStG iVm § 31 BewG die Vorschriften des Ersten Teils des BewG, insbesondere § 9 BewG (gemeiner Wert), anwendbar. Der Wert des übertragenen Vermögens, also des Anteils an der Holding, ist bei beiden Varianten identisch.
Unterschiede bestehen hinsichtlich der nach § 13 a Abs. 4 Satz 5 ErbStG einzubeziehenden Lohnsummen bei der Berechnung von Ausgangslohnsumme iSd § 13 a Abs. 1 Satz 3 ErbStG und Mindestlohnsumme iSd § 13 a Abs. 1 Satz 2 ErbStG. Weil der Tatbestand des § 13 a Abs. 4 Satz 5 ErbStG hinsichtlich des Merkmals "zu mehr als 25 %" in Variante 1 nicht erfüllt ist, sind die Lohnsummen der Beschäftigten der österreichischen Gesellschaft nicht einzubeziehen. Anders sieht es in Variante 2 aus. Hier sind die Lohnsummen der Beschäftigten der österreichischen Tochtergesellschaft zu 100 % in die Lohnsummenberechnung mit einzubeziehen, da die Mindestbeteiligungsgrenze von 25 % deutlich überschritten ist.
Im Jahr 2010 kommt es bei der österreichischen Gesellschaft infolge der Finanz- und Wirtschaftskrise zu erheblichen Auftragsrückgängen und Umsatzeinbrüchen. Um den Geschäftsbetrieb aufrechterhalten zu können, muss die Gesellschaft 80 % der Arbeitnehmer (8.000 Stellen) entlassen.
Das Absinken der Lohnsumme wird in Variante 1 keine erbschaftsteuerlichen Konsequenzen nach sich ziehen. In Variante 2 könnte jedoch eine Nachversteuerung eintreten. Angenommen, dass die künftige wirtschaftliche Entwicklung ein Unterschreiten der Mindestlohnsumme nach Ablauf von 7 bzw. 10 Jahren bewirkt, entfällt der in 2009 in Anspruch genommene Verschonungsabschlag iSd § 13 a Abs. 1 ErbStG in dem prozentualen Umfang, wie die Mindestlohnsumme unterschritten worden ist. Im Extremfall steht hier eine Erbschaftsteuernachzahlung von mehreren Millionen in Variante 2 einer vollkommenen Verschonung des Betriebsvermögens in Variante 1 gegenüber.
Fraglich ist, ob diese offensichtliche Ungleichbehandlung, hier zum Nachteil der in der zweiten Variante Beteiligten – vor dem Hintergrund eines identischen Werts des Unternehmensvermögens – den europarechtlichen und verfassungsrechtlichen Gleichheits- und Freiheitsgedanken und Normen entspricht.