aaa) Grundfreiheiten als Diskriminierungsverbote
Von der Konzeption her sind die Grundfreiheiten als sog. Diskriminierungsverbote ausgestattet. Dieses Konzept knüpft an das Staatsangehörigkeitsprinzip an, da grundsätzlich nur die Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten vom Binnenmarkt profitieren sollen. Eine nationale steuerliche Norm wird daher als unmittelbar diskriminierend eingestuft, wenn sie entweder Staatsangehörige verschiedener Mitgliedstaaten, die sich in objektiv unterschiedlichen Situationen befinden, ungleich behandelt oder aber Staatsangehörige verschiedener Mitgliedstaaten, die sich in objektiv unterschiedlichen Situationen befinden, gleich behandelt. Im vorliegenden Fallbeispiel knüpft die Rechtsnorm des § 13 a Abs. 4 Satz 5 ErbStG jedoch nicht direkt bzw. offen an die Staatsangehörigkeit an. Es liegt insoweit zumindest keine unmittelbare Diskriminierung vor. Fraglich ist, ob darüber hinaus eine versteckte oder mittelbare Diskriminierung vorliegen könnte. Diese liegt regelmäßig vor, wenn eine unterschiedliche steuerliche Behandlung nicht aufgrund des Merkmals der Staatsangehörigkeit erfolgt, sondern sich auf andere Differenzierungskriterien stützt, jedoch zu einem gleichen Ergebnis wie eine Differenzierung nach der Staatsangehörigkeit kommt. Dies ist z. B. der Fall, wenn auf die Ansässigkeit abgestellt wird, wenn ein inländischer Wohnsitz verlangt wird oder wenn Gewinne im Inland erzielt werden. Die Rechtsnorm des § 13 a Abs. 4 Satz 5 ErbStG enthält insoweit keine Differenzierung und damit keine Beeinträchtigung. Anteile an inländischen Gesellschaften werden bei der Berechnung der Lohnsumme genauso einbezogen bzw. nicht einbezogen (Mindestbeteiligungsquote) wie Anteile an Gesellschaften in Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder in Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums.
bbb) Grundfreiheiten als Beschränkungsverbote
Mittlerweile ist für sämtliche Grundfreiheiten anerkannt, dass diese nicht nur als Diskriminierungsverbote, sondern auch als sogenannte Beschränkungsverbote wirken. Dies gilt nach herrschender Meinung auch für das Steuerrecht. Eine nationale steuerliche Rechtsnorm verstößt demnach auch dann gegen die Grundfreiheiten, wenn sie eine nachteilige steuerliche Behandlung zwar nicht auf die Staatsangehörigkeit oder ein vergleichbares Kriterium gründet, gleichwohl aber unterschiedslos nachteilig wirkt. Auch unterschiedslos anzuwendende, damit diskriminierungsfreie Maßnahmen sind jedenfalls dann geeignet, grenzüberschreitende Betätigungen genauso wie Diskriminierungen zu behindern. Eine bestimmte Intensität ist nicht gefordert. Der EuGH verfährt insoweit großzügig. Es genügt, wenn die Ausübung einer Grundfreiheit aufgrund der jeweiligen Maßnahme als "weniger attraktiv" erscheint. Ergänzt werden die Erkenntnisse zu den Grundsätzen des Beschränkungsverbots durch das aus dem Diskriminierungsverbot abgeleitete Gleichstellungsverbot, das einerseits bedeutet, dass natürliche Personen bzw. Gesellschaften, die sich in objektiv vergleichbaren Situationen befinden, nicht unterschiedlich behandelt werden dürfen. Es beinhaltet zum anderen auch das Verbot, ungleiche Sachverhalte gleich zu behandeln.