Beschränkungen der Freizügigkeiten durch nationale Maßnahmen sind nur zulässig, wenn sie gerechtfertigt werden können. Vor dem EuGH kann hier der jeweilige Mitgliedstaat die Gründe vorbringen, warum die in Rede stehende nationale Norm oder Maßnahme aus seiner Sicht gerechtfertigt ist. Bei den Rechtfertigungsgründen hat sich eine Trennung in geschriebene Rechtfertigungsgründe und richterlich entwickelte Rechtfertigungsgründe bewährt. Prinzipiell sind beide Gruppen sowohl auf Beschränkungen als auch auf Diskriminierungen anwendbar. Die im EG-Vertrag enthaltenen vertraglichen Vorbehalte zugunsten der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, der öffentlichen Gesundheit, zum Schutz der Menschen, Tiere und Pflanzen und einer Vielzahl weiterer Gründe des Allgemeininteresses haben im Steuerrecht bislang wenig praktische Bedeutung erlangt. Im Bereich der Beschränkungsverbote hat der EuGH in ständiger Rechtsprechung auch für das Steuerrecht anerkannt, dass eine nationale steuerliche Norm aufgrund zwingender Gründe des Allgemeinwohls gerechtfertigt sein kann, vorausgesetzt, der jeweilige Mitgliedstaat verfolgt mit der Rechtsnorm ein legitimes, mit den Prinzipien des Gemeinschaftsrechts zu vereinbarendes Ziel. Zusätzlich muss die Norm den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachten und es dürfen durch die Anwendung keine wirtschaftlichen Zwecke verfolgt werden. Alternativ hierzu sind infolge der Judikatur des EuGH mittlerweile drei Rechtfertigungsgründe anerkannt und besonders bedeutsam: Die Abwehr steuerlicher Umgehungen, die Wirksamkeit der Steueraufsicht sowie die Kohärenz des Steuersystems.
Bevor eine mögliche Rechtfertigung einer Beschränkung der betroffenen Grundfreiheiten diskutiert wird, soll an dieser Stelle die Motivation des Gesetzgebers für die Rechtsnorm des § 13 a Abs. 4 Satz 5 ErbStG erörtert werden. Laut Begründung der Bundesregierung weisen Betriebsvermögen gegenüber anderen Vermögensarten Besonderheiten auf, die eine differenzierte Behandlung im Rahmen der Erbschaftsteuer erforderlich machen. Diese Vermögensart bilde eine Basis für Wertschöpfung und Beschäftigung und Erhalt von Arbeitsplätzen. Aus diesen Gründen sollen den Betrieben weit reichende Verschonungen geboten werden, um Liquidität und Investitionen zu schützen und um Arbeitsplätze zu erhalten. Als geeigneter Indikator für die Gewährung der Verschonungen über einen längeren Zeitraum soll die Lohnsumme iSd § 13 a Abs. 1 und 4 ErbStG dienen. Gehören nun – laut Intention des Gesetzgebers – zum Vermögen eines zu bewertenden Betriebs (Mutterbetrieb) Beteiligungen an anderen Unternehmen (Töchterbetriebe), sind diese im Wert des Mutterbetriebs zu berücksichtigen. Auf den dadurch erhöhten Wert werden die Verschonungen gewährt. Folglich müssen auch die Lohnsummen dieser Töchter in die Entscheidungsgröße einbezogen werden. Sonst wäre es unschädlich, Beteiligungen zu verkaufen oder aufzugeben oder Arbeitsplätze in Tochterbetrieben abzubauen, solange nur die Lohnsumme des Mutterbetriebs nicht unter die Mindestgrenze sinkt.
Aufgrund der Intention des Gesetzgebers kommt – da offensichtlich weder die Fallgruppen Abwehr von Steuerumgehungen und Wirksamkeit der Steueraufsicht noch sonstige Rechtfertigungsgründe einschlägig sind – eine Rechtfertigung durch den anerkannten Rechtfertigungsgrund der Kohärenz des Steuersystems infrage. Als Rechtfertigungsgrund bedeutsam ist die Kohärenz, da sich die Mitgliedstaaten seit Jahren in allen fiskalischen Verfahren – zumeist vergeblich – auf sie berufen haben. In einer relativ jungen Entscheidung hat die Kohärenz als Rechtfertigungsgrund erstmals wieder durchgegriffen. Bei der Kohärenz geht es im Grundsatz um den unmittelbaren Zusammenhang zwischen einer beschränkenden Steuernorm und einer damit einhergehenden steuerlichen Vergünstigung. Zur Intensität hat sich der EuGH nicht geäußert. Feststellen lässt sich immerhin, dass es sich in der Regel um dieselbe Steuerart und um denselben Steuerpflichtigen handeln muss, der von der Begünstigung betroffen ist. Nach Sinn und Zweck des Gesetzes ließe sich zwischen Verschonung von Betriebsvermögen auf der einen Seite und dem Einbezug der Lohnsummen auf der anderen Seite ein innerer und unmittelbarer Zusammenhang finden. Eine Rechtfertigung wäre evtl. auch über die zwingenden Gründe des Allgemeinwohls möglich. Die Gesetzesbegründung nennt als Ziel des § 13 a ErbStG die Klein- und mittelständischen Betriebe im Interesse offener Märkte und hoher Wettbewerbsintensität zu fördern und so Monopole und oligopolartige Strukturen und damit verbundene Überrenditen zu vermeiden. Teilweise wurde auch unter bestimmten Umständen und bei Beachtung bestimmter Voraussetzungen eine Rechtfertigung einer Beschränkung zum Schutz der Arbeitnehmer zugelassen.