Zusammenfassung
Das neue Erbschaftsteuergesetz, das mit Wirkung zum 1.1.2009 in Kraft getreten ist, hat neben der Neukonzeption des Erbschaftsteuerrechts für Inlandsfälle auch zu einer veränderten Besteuerung von grenzüberschreitenden Erbfällen geführt. Der Gesetzgeber hat sich bei dem Entwurf der Reform, die wohl kein Kabinettstück einer Steuervereinfachung ist, bemüht, verfassungsrechtliche und europarechtliche Vorgaben zu beachten. Ob dies gelungen ist wird sich wohl erst mittelfristig zeigen. Fest steht zumindest, dass für die Vermögensnachfolge seit dem 1.1.2009 völlig neue Planungsparameter bestehen. Neben dem gesetzlichen Novum des sog. Verwaltungsvermögens wird die Lohnsummenregelung iSd § 13 a Abs. 1 und Abs. 4 ErbStG erhebliche Bedeutung in der Praxis erfahren und – so ist zumindest vor Hintergrund, Zweck und der Formulierung der Norm auszugehen – mannigfaltige Diskussionen auslösen. Im Nachfolgenden soll an einem konkreten Fallbeispiel – hier an der Lohnsummenregelung, § 13 a Abs. 4 ErbStG, insbesondere deren Satz 5 – die Verfassungsmäßigkeit einer nationalen Norm bzw. die Vereinbarkeit einer nationalen Norm mit europäischen Grundfreiheiten diskutiert und näher beleuchtet werden.
1. Fallbeispiel
Variante 1: Der Erblasser (Erbfall 2009) ist an einer deutschen Holding-GmbH & Co. KG zu 100 % beteiligt. Die deutsche Holding beschäftigt 11 Arbeitnehmer. Diese wiederum hält Anteile iHv 25 % an einer GmbH & Co.KG in Österreich. Die österreichische Gesellschaft beschäftigt 10.000 Arbeitnehmer und betreibt allein das operative Geschäft.
Variante 2: Der Erblasser (Erbfall 2009) ist an einer deutschen Holding-GmbH & Co. KG zu 25 % beteiligt. Die deutsche Holding beschäftigt 11 Arbeitnehmer. Diese wiederum hält Anteile iHv 100 % an einer GmbH & Co. KG in Österreich. Die österreichische Gesellschaft beschäftigt 10.000 Arbeitnehmer und betreibt allein das operative Geschäft.
In beiden Varianten vererbt der Erblasser begünstigtes Betriebsvermögen nach § 13 b Abs. 1 Nr. 2 ErbStG. Das Vermögen der inländischen Beteiligungsgesellschaft besteht nicht mehrheitlich (also zu mehr als 50 %) aus Verwaltungsvermögen, § 13 b Abs. 2 Nr. 3 ErbStG. Die Bewertung des steuerpflichtigen Erwerbs (§ 10 ErbStG) erfolgt nach § 12 ErbStG. Dieser unterscheidet bei der erbschaftsteuerlichen Bewertung von Betriebsvermögen zwischen Inland und Ausland. Für das inländische Betriebsvermögen gelten über § 12 Abs. 5 ErbStG iVm §§ 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 157 Abs. 5, 109 Abs. 1 Satz 2 bzw. Abs. 2 Satz 2 BewG die Bewertungsgrundsätze wie für Anteile an Kapitalgesellschaften, § 11 Abs. 2 iVm § 199 Abs. 2 BewG (gemeiner Wert). Für die Bewertung des ausländischen Betriebsvermögens sind gem. § 12 Abs. 7 ErbStG iVm § 31 BewG die Vorschriften des Ersten Teils des BewG, insbesondere § 9 BewG (gemeiner Wert), anwendbar. Der Wert des übertragenen Vermögens, also des Anteils an der Holding, ist bei beiden Varianten identisch.
Unterschiede bestehen hinsichtlich der nach § 13 a Abs. 4 Satz 5 ErbStG einzubeziehenden Lohnsummen bei der Berechnung von Ausgangslohnsumme iSd § 13 a Abs. 1 Satz 3 ErbStG und Mindestlohnsumme iSd § 13 a Abs. 1 Satz 2 ErbStG. Weil der Tatbestand des § 13 a Abs. 4 Satz 5 ErbStG hinsichtlich des Merkmals "zu mehr als 25 %" in Variante 1 nicht erfüllt ist, sind die Lohnsummen der Beschäftigten der österreichischen Gesellschaft nicht einzubeziehen. Anders sieht es in Variante 2 aus. Hier sind die Lohnsummen der Beschäftigten der österreichischen Tochtergesellschaft zu 100 % in die Lohnsummenberechnung mit einzubeziehen, da die Mindestbeteiligungsgrenze von 25 % deutlich überschritten ist.
Im Jahr 2010 kommt es bei der österreichischen Gesellschaft infolge der Finanz- und Wirtschaftskrise zu erheblichen Auftragsrückgängen und Umsatzeinbrüchen. Um den Geschäftsbetrieb aufrechterhalten zu können, muss die Gesellschaft 80 % der Arbeitnehmer (8.000 Stellen) entlassen.
Das Absinken der Lohnsumme wird in Variante 1 keine erbschaftsteuerlichen Konsequenzen nach sich ziehen. In Variante 2 könnte jedoch eine Nachversteuerung eintreten. Angenommen, dass die künftige wirtschaftliche Entwicklung ein Unterschreiten der Mindestlohnsumme nach Ablauf von 7 bzw. 10 Jahren bewirkt, entfällt der in 2009 in Anspruch genommene Verschonungsabschlag iSd § 13 a Abs. 1 ErbStG in dem prozentualen Umfang, wie die Mindestlohnsumme un...