Leitsatz
Das Nichtbetreiben des Scheidungsverfahrens über die Dauer von 21 Jahren ist als Rücknahme des Scheidungsantrags zu werten. Zum Ausgleich des Zugewinns wird der dem überlebenden Ehegatten gemäß § 1931 BGB zustehende Erbteil gemäß § 1371 Abs. 1 BGB um ein Viertel der Erbschaft erhöht, sodass dieser neben Abkömmlingen des Erblassers gesetzlicher Erbe zur Hälfte der Erbschaft wird. Dies setzt allerdings voraus, dass der Güterstand der Zugewinngemeinschaft durch den Tod des Ehegatten sein Ende gefunden hat und nicht bereits vorher beendet worden ist.
Saarländisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 24. August 2010 – 5 W 185/10-70
Sachverhalt
Die Beschwerdeführerin, die zum Zeitpunkt des Erbfalls mit dem Erblasser verheiratet war, wehrt sich gegen die Einziehung des ihr durch das Amtsgericht – Nachlassgericht – S. erteilten Mindestteil-Erbscheins vom 22.7.2009 – 3 VI 564/09 –, der sie als dessen Erbin kraft Gesetzes zu mindestens 1/2-Anteil auswies (Bl 8 dA).
Dieser Erbschein war der Beschwerdeführerin auf ihren Antrag vom 21.7.2009 (Bl 1 dA) erteilt worden, zu dessen Begründung sie – unter anderem – an Eides Statt versichert hatte, dass bei Eintritt des Erbfalls eine Ehesache nicht anhängig gewesen sei und der gesetzliche Güterstand der Zugewinngemeinschaft gegolten habe. Daneben war zugunsten der Kinder des Erblassers, der weiteren Beteiligten zu 1) und 2), ein gemeinschaftlicher Teil-Erbschein vom 9.12.2009 – 3 VI 564/09 – erteilt worden, der diese als Erben kraft Gesetzes zu je 1/4 ausweist.
Mit Schreiben vom 3.3.2010 hat die weitere Beteiligte zu 1) "Beschwerde" gegen die Erteilung des Mindestteil-Erbscheins vom 22.7.2009 erhoben, dessen Unrichtigkeit sich daraus ergebe, dass der Erblasser – was unstreitig ist – am 7.3.1988 einen Scheidungsantrag gestellt habe (21 F 77/88 des Amtsgerichts S.). Auch wenn der Erblasser das Scheidungsverfahren in der Folge nicht weiter betrieben habe, habe dies gemäß § 1933 Abs. 1 BGB zum Erlöschen des Erbrechts der Beschwerdeführerin geführt. Da die Eheleute außerdem – was ebenfalls unstreitig ist – mit notarieller Vereinbarung vom 7.12.1988 (Urkundenrolle Nr. AAAA des Notars T. mit dem Amtssitz in S.) gegenseitig auf Zugewinnausgleichsansprüche verzichtet hätten (Bl 17, 25 dA), folge ein Erbrecht der Beschwerdeführerin in Höhe eines 1/4-Anteils auch nicht aus § 1371 BGB.
Der zuständige Rechtspfleger des Amtsgerichts – Nachlassgericht – S. hat den Mindestteil-Erbschein vom 22.7.2009 mit Beschluss vom 8.3.2010 (Bl 30 dA) wegen des nach wie vor rechtshängigen Ehescheidungsverfahrens als unrichtig eingezogen und mit weiterem Beschluss vom 21.4.2010 (Bl 42 dA) für kraftlos erklärt. Der Einziehungsbeschluss enthielt außerdem den Hinweis, die Anfechtung mit der unbefristet einzulegenden Erinnerung sei möglich.
Daraufhin hat die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 16.4.2010 (Bl 38/40 dA) "Erinnerung" gegen den ihr am 10.3.2010 zugestellten (Bl 33 dA) Einziehungsbeschluss vom 8.3.2010 eingelegt, mit der sie die Wiedererteilung eines Mindestteil-Erbscheins beantragt. Sie ist der Ansicht, das Nichtbetreiben des Ehescheidungsverfahrens über eine Dauer von 21 Jahren sei als Rücknahme des Scheidungsbegehrens zu behandeln, sodass von einem Fortbestehen des Ehegattenerbrechts auszugehen sei.
Die weitere Beteiligte zu 1), die ihrerseits nach Einziehung des Mindestteil-Erbscheins die Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins zugunsten der Kinder des Erblassers beantragt hat (Bl 35 dA), verteidigt den Einziehungsbeschluss (Bl 52 dA).
Aus den Gründen
Der als "Erinnerung" bezeichnete Rechtsbehelf ist als befristete Beschwerde gemäß den §§ 58 ff, 63 Abs. 1, 11 Abs. 1 RPflG statthaft, über die gemäß § 119 Abs. 1 Nr. 1 b) GVG das Oberlandesgericht zu entscheiden hat, nachdem der zuständige Rechtspfleger des Amtsgerichts (§§ 3 Nr. 2 c), 16 Abs. 1 Nr. 7 RpflG) ihr nicht gemäß § 68 Abs. 1 FamFG abgeholfen hat.
1. Zwar ging der Einziehung eine gegen den Mindestteil-Erbschein vom 22.7.2009 gerichtete Beschwerde der weiteren Beteiligten zu 1) vom 3.3.2010 voraus, die gemäß Art. 111 Abs. 1 des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG-RG) an sich noch den bis zum Inkrafttreten des FGG-RG am 1.9.2009 geltenden Vorschriften des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG) unterfiel. Da diese Beschwerde nach der Erteilung des Mindestteil-Erbscheins jedoch mit dem Ziel der Rückgängigmachung der Erbscheinserteilung unzulässig war, hat das Amtsgericht den Rechtsbehelf der weiteren Beteiligten zu 1) – in Übereinstimmung mit den §§ 58, 352 Abs. 3 FamFG – in einen "Antrag" auf Einziehung des Erbscheins umgedeutet (Bl 30 dA; vgl. Staudinger/Schilken (2004), § 2353 BGB, Rn 92), der – im Sinne einer Anregung (vgl. § 24 Abs. 1 FamFG) – zur Einleitung eines Einziehungsverfahren führte. Dieses von Amts wegen zu führende Verfahren (vgl. § 2361 Abs. 3 BGB) stellt gegenüber dem Erbscheinserteilungsverfahren ein neues sel...