Leitsatz
Die Formulierung in einem ehegemeinschaftlichen Testament von Eheleuten, die in zweiter Ehe miteinander verheiratet sind und sowohl gemeinsame Kinder, als auch Kinder aus erster Ehe haben, dass "unsere Kinder" Schlusserben sein sollen, ist auslegungsbedürftig. Es kommt entscheidend auf den Sprachgebrauch und das Familienverständnis der Eheleute an.
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28.August 2018 – 3 Wx 6/18
Sachverhalt
Gemeinsam mit ihrem vorverstorbenen Ehemann errichtete die Erblasserin am 10. April 1998 eine als "Berliner Testament" überschriebene handschriftliche Verfügung, mit welcher sich die Eheleute wechselseitig zu Alleinerben einsetzten. Weiter verfügten sie: "Erst nach dem Tod des zuletzt verstorbenen Elternteils soll das Erbe zu gleichen Teilen an unsere Kinder verschenkt werden." Der Text dieser Verfügung wurde von der Erblasserin geschrieben und von beiden Eheleuten unterschrieben. Eine weitere handschriftliche Verfügung mit demselben Wortlaut errichteten die Eheleute am 15. April 1998. Dieses Mal schrieb der Ehemann den Text der Verfügung, beide Eheleute unterzeichneten sie.
Für beide Eheleute war ihre Ehe die zweite Ehe und die Beteiligten zu 1 bis 3 sind die gemeinsamen Kinder der Eheleute. Die Beteiligte zu 4 ist die Tochter der Erblasserin aus erster Ehe, bei dem Beteiligten zu 5 handelt es sich um den Sohn des vorverstorbenen Ehemanns aus erster Ehe.
Nach dem Tod ihres Ehemannes beantragte die Erblasserin einen sie als Alleinerbin ausweisenden Erbschein. Der Beteiligte zu 5 erhob sodann vor dem Landgericht Arnsberg eine Klage, mit welcher er beantragte, die Erblasserin für erbunwürdig zu erklären. Nachdem diese Klage abgewiesen worden war, machte der Beteiligte zu 5 gegenüber der Erblasserin Auskunfts- und Pflichtteilsansprüche nach dem Ableben seines Vaters geltend. Die Erblasserin erteilte die Auskünfte und erklärte gegenüber Pflichtteilsansprüchen des Beteiligten zu 5 die Aufrechnung mit verschiedenen Gegenforderungen gegenüber dem Beteiligten zu 5.
Nach dem Tod der Erblasserin beantragte die Beteiligte zu 4 gestützt auf die Testamente vom 10. und vom 15. April 1998 einen gemeinschaftlichen Erbschein, der die Beteiligten zu 1 bis 4 als Miterben zu je 1/4-Anteil ausweist. Sie meinte hierzu, mit der Formulierung in den Testamenten "unsere Kinder" seien nicht nur die Beteiligten zu 1 bis 3 als leibliche Kinder der Eheleute, sondern auch sie, die Beteiligte zu 4 als Tochter der Erblasserin aus erster Ehe gemeint. Die Beteiligten zu 1 bis 3 erhoben keine Einwendungen gegen den Antrag der Beteiligten zu 4. Das Amtsgericht erließ am 11. Juli 2017 einen die Tatsachen, die zur Begründung des Erbscheinsantrages erforderlich sind, feststellenden Beschluss und erteilte den beantragten gemeinschaftlichen Erbschein.
Aufgrund des sodann eingegangenen Erbscheinsantrages des Beteiligten zu 5 vom 4. August 2017, konkretisiert mit Schriftsatz vom 25. September 2017, wurde im hiesigen Nachlassverfahren erstmals bekannt, dass der Beteiligte zu 5 ein weiterer Abkömmling des vorverstorbenen Ehemannes ist. Der Beteiligte zu 5 hat seinen Erbscheinsantrag darauf gestützt, dass nach der uneingeschränkten Formulierung in den Testamenten "unsere Kinder" sämtliche Kinder beider Eheleute und nicht nur die gemeinschaftlichen Kinder der Eheleute Erben seien. Hierzu hat er behauptet und dazu Näheres geschildert, er habe stets in Kontakt insbesondere mit seinem vorverstorbenen Vater, aber auch zu der Erblasserin und den Beteiligten zu 1 bis 4, gestanden; regelmäßiger Kontakt zu seinem Vater habe sowohl vor, als auch noch nach Errichtung der Testamente im April 1998 bestanden. Grund für seine Entscheidung, nach dem Tod seines Vaters Pflichtteilsansprüche gegenüber der Erblasserin geltend zu machen, sei die Befürchtung gewesen, die Erblasserin würde den gemeinsamen Nachlass verbrauchen oder verschenken.
Die Beteiligten zu 1 bis 4 sind dem Antrag des Beteiligten zu 5 entgegen getreten. Sie haben zur Begründung ihrer Auffassung, dass die Testamente vom 10. und vom 15. April 1998 den Beteiligten zu 5 nicht begünstigen, ausgeführt, der Beteiligte zu 5 sei nicht in die Familie der Eheleute eingebunden gewesen, soziale Kontakte hätten nicht bestanden. Nach der Trennung des vorverstorbenen Ehemannes von dessen erster Ehefrau sei auch sein Kontakt zu dem Beteiligten zu 5 im wesentlichen abgebrochen. Dagegen habe die Beteiligte zu 4 ebenso wie die Beteiligten zu 1 bis 3 im gemeinsamen Haushalt der Eheleute gelebt; der vorverstorbene Ehemann habe die Beteiligte zu 4 gleichsam als seine Tochter anerkannt. Ab dem Jahr 2007 habe der Beteiligte zu 5 sich das Vertrauen seines Vaters erschlichen. Das sei auch der Grund dafür gewesen, dass der vorverstorbene Ehemann sich im Alter von 84 Jahren von der Erblasserin getrennt habe und zu dem Beteiligten zu 5 gezogen sei.
Das Amtsgericht hat die Beteiligten zu 1 bis 5 angehört und mit Beschluss vom 8. Dezember 2017 die Tatsachen, die zur Begründung des Erbscheinsantrages des Beteiligten zu 5 erforderlich sind, für...