Leitsatz
In der reinen Unterlassung der Kündigung durch einen nach §§ 564 S. 1, 1922 S. 1 BGB in das Mietverhältnis eingetretenen Erben liegt keine Verwaltungsmaßnahme, die die nach Ablauf dieser Kündigungsfrist fällig werdenden Verbindlichkeiten aus dem Mietverhältnis zu Nachlasserbenschulden werden lässt. Eine persönliche Haftung tritt ein, wenn der Erbe seiner Pflicht zur Räumung und Herausgabe der Mietsache gemäß §§ 546 Abs. 1, 985 BGB nach wirksamer Beendigung des Mietverhältnisses nicht nachkommt.
BGH, Urt. v. 25.9.2019 – VIII ZR 138/18
1 Tatbestand
Der Bruder des Beklagten mietete im Jahr 1985 von den Rechtsvorgängern des Klägers eine in einem Mehrfamilienhaus gelegene Wohnung in K. Der Kläger erwarb das Anwesen im Jahr 2002. Die monatliche Kaltmiete betrug zuletzt 516,40 EUR zuzüglich 30,68 EUR für einen Pkw-Stellplatz. Der Bruder des Beklagten verstarb im August 2014. Mit Ausnahme des Beklagten schlugen die weiteren vorhandenen Erben – die Geschwister des Erblassers sowie deren Abkömmlinge – die Erbschaft aus. Der Kläger nahm den Beklagten in einem Vorprozess als Erben seines Bruders auf Zahlung der Mieten für die Monate September bis Dezember 2014 sowie auf Räumung und Herausgabe der Wohnung in Anspruch. Am 20.2.2015 wurde dem Beklagten in diesem Verfahren die Anspruchsbegründung zugestellt, in welcher der Kläger ausführte, alle anderen Erben der zweiten Ordnung hätten die Erbschaft ausgeschlagen. Das Amtsgericht gab mit Urt. v. 4.8.2015 der Zahlungsklage sowie, gestützt auf eine durch den Kläger am 30.4.2015 erklärte Kündigung, auch der Räumungsklage statt.
Auf Antrag des Beklagten wurde am 12.11.2015 die Nachlassverwaltung angeordnet. Die Zwangsräumung der Wohnung erfolgte Ende Januar 2016. Auf die Berufung des Beklagten änderte das Landgericht (Urt. v. 11.5.2016 – 23 S 67/15) das vorgenannte Urteil teilweise ab. Die Verurteilung zur Räumung blieb aufrechterhalten, die Zahlungsklage wurde abgewiesen. Bei den geltend gemachten Mietforderungen handele es sich um reine Nachlassverbindlichkeiten, für welche der Beklagte infolge der zwischenzeitlich angeordneten Nachlassverwaltung nicht mehr hafte. Erst für die Verbindlichkeiten aus dem Mietverhältnis, die nach Ablauf der Kündigungsfrist des § 564 S. 2 BGB entstünden – vorliegend ab dem 21.3.2015 – könne der Beklagte weiterhin persönlich in Anspruch genommen werden.
Der Kläger nimmt den Beklagten im vorliegenden Verfahren auf Zahlung von Miete und Nutzungsentschädigung für den Zeitraum vom 21.3.2015 bis zum 31.1.2016 in Höhe von insgesamt 5.664,93 EUR nebst Zinsen in Anspruch. Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Berufung hat das Landgericht zurückgewiesen und dem Beklagten vorbehalten, die Beschränkung seiner Haftung auf den Nachlass geltend zu machen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte sein Klageabweisungsbegehren weiter.
2 Gründe
Die Revision hat Erfolg.
I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt: Der Beklagte sei Alleinerbe seines Bruders geworden. Soweit er seine Erbenstellung auch noch in der Berufungsinstanz bestreite, hätte es ihm im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast oblegen, substantiiert dazu vorzutragen, wer als gesetzlicher Erbe erster Ordnung in Betracht komme. Dieser Substantiierungslast sei er nicht nachgekommen. Sein Vortrag erschöpfe sich in der allgemeinen Ausführung, es sei offen beziehungsweise werde ermittelt, ob nicht vorhergehende Erben vorhanden seien.
Der Beklagte hafte persönlich für die im Zeitraum vom 21.3.2015 bis zum 31.1.2016 fällig gewordenen Mieten, da es sich hierbei um Nachlasserbenschulden und nicht um reine Nachlassverbindlichkeiten im Sinne von § 1967 BGB handele. Nur für letztere sei die Haftung mit dem eigenen Vermögen infolge der Anordnung der Nachlassverwaltung ausgeschlossen, da hierdurch eine rückwirkende Haftungsbeschränkung auf den Nachlass erfolgt sei.
Demgegenüber hafte der Erbe für Verbindlichkeiten, die er im Rahmen ordnungsgemäßer Verwaltung des Nachlasses begründe – sogenannte Nachlasserbenschulden – weiterhin mit seinem Vermögen. Eine solche persönliche Haftung treffe den Beklagten für Forderungen aus dem Mietverhältnis, welche ab dem 21.3.2015 fällig geworden seien. Ein das Entstehen einer Nachlasserbenschuld begründendes rechtsgeschäftliches Handeln des Beklagten liege vorliegend in der Unterlassung der Kündigung des Mietverhältnisses nach § 564 S. 2 BGB. Diesem Unterlassen komme aus objektiver Empfängersicht ausnahmsweise ein positiver Erklärungswert dahingehend zu, das Mietverhältnis bestehen lassen zu wollen, da die außerordentliche Kündigung nach dem Gesetz das Mittel der Wahl sei, sich des Vertrages zu entledigen. Diese Sicht sei auch interessengerecht, da ansonsten der Vermieter bei einer Haftungsbeschränkung gemäß § 780 ZPO unter Umständen kein Entgelt für die unveränderte Gebrauchsgewährung erhielte. Die einmonatige Ausschlussfrist des § 564 S. 2 BGB, welche m...