Schenkungen des Erblassers begründen den Pflichtteilsergänzungsanspruch nach § 2325 BGB.
Ohne den Pflichtteilsergänzungsanspruch hätte das Pflichtteilsrecht "kaum eine materielle Bedeutung".
Bereits das römische Recht, auf dem unser BGB auch heute noch fußt, kannte vergleichbare Regelungen zum Schutz der Pflichtteilsberechtigten. Denn schon damals kamen findige Römer auf die Idee, den zukünftigen Nachlass durch lebzeitige Vermögensausgliederung zu schmälern, um so missliebige Pflichtteilsberechtigte zu schädigen. Damals wie heute galt: Die Quote von null bleibt null. Gerade um derartige "Aushöhlungen" des Pflichtteils zu vermeiden, wurden die Ergänzungsregeln im Sinne der §§ 2325& ff. BGB entwickelt. Sie schützen das Pflichtteilsrecht und verhindern "Schleichwege am Erbrecht vorbei".
Die Rechtsprechung des BGH ist diesem Schutzgedanken verpflichtet und führt ihn konsequent fort, indem sie nach Möglichkeit den Pflichtteilsberechtigten stets gegen solche Verfügungen des Erblassers schützt, die den Pflichtteilsanspruch schmälern könnten.
Die Besonderheit des mit dem § 2325 BGB implementierten Schutzmechanismus besteht darin, die Rechte des Pflichtteilsberechtigten zu verwirklichen, ohne die lebzeitige Verfügungsbefugnis des Erblassers einzuschränken und ohne die Wirksamkeit der durch den Erblasser abgeschlossenen Rechtsgeschäfte anzutasten.
Es ist von besonderer Bedeutung, die Zielrichtung des § 2325 BGB im Auge zu behalten.
1. Problemstellung
Die unentgeltliche Nutzungsüberlassung von Wohnraum durch den Erblasser ist in erbrechtlicher Hinsicht immer problematisch.
Scheidet in diesen Fällen die Pflichtteilsergänzung nach § 2325 BGB aus, weil Ansprüche nach § 2325 BGB nur dann in Betracht kommen, wenn ein Gegenstand aus dem Vermögen des Erblassers weggegeben wird, oder genügt die unentgeltliche Nutzungsüberlassung? Wird dann einer der Abkömmlinge im Verhältnis zu den übrigen begünstigt, indem dieser vom Erblasser die Möglichkeit erhält, über Jahre hinaus, womöglich auch noch mit seiner gesamten Familie, kostenfrei in einer Immobilie des Erblassers zu wohnen, stellt sich schon zwangsläufig die Frage, ob dies keine Ausgleichung gemäß § 2050 BGB nach sich ziehen muss. Ist also die Gewährung freien Wohnraums eine unentgeltliche Vermögenszuwendung, die eine Pflichtteilsergänzung oder, im Verhältnis von mehreren Abkömmlingen, eine Ausgleichung rechtfertigt?
Ein völliges Außerachtlassen derartiger Begünstigungen verschafft Unbehagen. Das ureigene Gerechtigkeitsempfinden regt sich – "weil nicht sein kann, was nicht sein darf" –, wenn man ausgerechnet hier den Schutzgedanken des § 2325 BGB vernachlässigen wollte. Nach dem Schutzgedanken des § 2325 BGB sind schließlich alle Vermögenszuwendungen bei der Pflichtteilsergänzung zu berücksichtigen, die zu einer Beeinträchtigung des Pflichtteilsrechts führen können. Warum sollte das bei der unentgeltlichen Wohnraumüberlassung nicht so sein? Wird mit dem Außerachtlassen derartiger Begünstigungen dem Missbrauch nicht Tür und Tor geöffnet und werden damit nicht neue Umgehungsmöglichkeiten geschaffen, den Pflichtteilsberechtigten weiter zu schädigen?
Für den BGH erhielt auch der Schutzgedanke des § 2325 BGB Vorrang bei der Anerkennung ehebedingter Zuwendungen im Zusammenhang mit dem Pflichtteilsergänzungsrecht, obwohl auch dort Zweifel an der dogmatischen Einordnung dieser Zuwendungen bestanden haben.
2. Unentgeltliche Gebrauchsüberlassungen und Schenkungen i.S.d. §§ 516, 517 BGB
Für den Einsatz des § 2325 BGB ist grundsätzlich eine Begünstigung durch den Erblasser erforderlich. Eine objektive Bereicherung des Begünstigten wie auch eine Einigung der Vertragspartner über die Unentgeltlichkeit wird genau wie bei der Schenkung vorausgesetzt. Eine nachträgliche Entgeltabsprache ist zulässig und führt zur Nichtentstehung des Ergänzungsanspruchs.
Die wohl h.M. in der Literatur will den Schenkungsbegriff des § 2325 BGB mit demjenigen der §§ 516, 517 BGB gleichsetzen. Den engen Begriff der Schenkung der §§ 516, 517 BGB unterstellt, ist dann die weitere Voraussetzung eine substanzielle Vermögensminderung beim Erblasser und eine entsprechende Vermögensmehrung beim Empfänger. Entscheidend dabei ist das Maß des Vermögensabflusses beim Geber, nicht aber das Maß der beim Zuwendungsempfänger bewirkten Bereicherung. Vertreten wird, dass die Gewährung freien Wohnraums an einen Abkömmling kein Vermögensopfer des Erblassers darstelle, weil der Erblasser nichts aus seinem Vermögen weggäbe und die Wohnung möglicherweise ...