Bei einem Blick in die Gesetzmaterialien[9] findet sich zu der Fassung des § 207 BGB, wie er später in Kraft getreten ist, folgender Hinweis des Gesetzgebers:

Zitat

"… ist es der Rechtsprechung unbenommen, im Einzelfall in entsprechender Anwendung des § 207 BGB-RE eine Verjährungshemmung anzunehmen, wenn ein der Ehe oder Familie vergleichbares Näheverhältnis besteht".

Deutlicher konnte der Gesetzgeber dem Rechtsanwender nicht mitteilen, dass er nicht nur nicht gegen eine analoge Anwendung des § 207 BGB ist, sondern dass er diese analoge Anwendung explizit wünscht und sie der Rechtsprechung offensteht.

Während § 204 a.F. BGB ausdrücklich nur die Ansprüche zwischen Vormund und Mündel regelte und die Verjährung der Ansprüche zwischen Betreuer und Betreutem, Pfleger und Pflegling, Kind und Beistand nur in analoger Anwendung des § 204 S. 2 BGB a.F. gehemmt wurden,[10] nennt § 207 BGB in der seit der Schuldrechtsreform geltenden Fassung diese Ansprüche zwar heute ausdrücklich. Daraus ergibt sich allerdings gerade nicht der Schluss, dass der neu geschaffene § 207 BGB abschließenden Charakter haben soll. Vielmehr spricht der oben zitierte Hinweis aus den Gesetzesmaterialien dafür, dass lediglich die ohnehin schon in analoger Anwendung des alten Rechts anerkannten Hemmungstatbestände bei Neufassung des Verjährungsrechts in die gesetzliche Regelung aufgenommen werden sollten. Ebenso wie schon nach altem Recht § 204 BGB a.F. analogiefähig war, wollte der Gesetzgeber allerdings auch bei Neufassung der Regelung keinen abschließenden Anwendungsbereich festlegen.[11] Schließlich bestätigt auch die – offen formulierte – Überschrift der Norm "Hemmung der Verjährung aus familiären und ähnlichen Gründen", dass der Gesetzgeber nicht die Schaffung einer Norm mit abschließendem Charakter im Sinn hatte.

[9] BGB-RE, BT-Drucks 14/6857, Anl. 3 S. 45. Zwar hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung am 11.10.2001 den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts – BT-Drucks 14/6857 – für erledigt erklärt. Allerdings war zuvor in den Beratungen des Rechtsausschusses in der später durch den Bundestag beschlossenen Entwurfsfassung von SPD und Bündnis 90/Die Grünen (BT-Drucks 14/6040) der dort eigentlich vorgesehene Wortlaut des § 207 BGB-E ersetzt worden durch den von der Bundesregierung vorgeschlagenen Wortlaut (siehe hierzu BT-Drucks 14/7052, 9). In den Beratungen des Rechtsausschusses wurde also die Entwurfsfassung der Bundesregierung – samt ihrer Erwägung zur entsprechenden Anwendung der Norm – angenommen. So heißt es dort wörtlich: "Die Änderung entspricht der Gegenäußerung der Bundesregierung zu den Nummern 14 und 15 der Stellungnahme des Bundesrates."
[10] Vgl. Grothe, in: MüKo-BGB, 8. Aufl. 2018, § 207 Rn 10.
[11] Grundsätzlich für eine analoge Anwendung spricht sich auch Grothe, in: MüKo-BGB, 8. Aufl. 2018, § 207 Rn 11 aus. Auch für eine analoge Anwendung, aber einschränkender dagegen Henrich, in: BeckOK-BGB, 51. Ed. 1.8.2019, § 207 Rn 7. Lediglich die analoge Anwendung im Fall der nichtehelichen Lebensgemeinschaft ablehnend sodann Ellenberger, in: Palandt, BGB, 78. Aufl. 2019, § 207 Rn 2. So auch Meller-Hannich, in: BeckOK-BGB, 1.9.2019, § 207 Rn 10.

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