1. Grundkonstellation – Berücksichtigungsverlangen
Die Ausgleichung besonderer Leistungen gemäß § 2057a BGB ist häufig Gegenstand von Streitigkeiten unter erbberechtigten und enterbten Geschwistern und deshalb ebenso häufig Thema bei der Erstellung von Nachlassverzeichnissen. Das gilt nicht minder für die anderen Ausgleichungstatbestände der §§ 2050 ff. BGB. Obwohl die Ausgleichung unter Geschwistern (und Enkeln) auch für den Laien nachvollziehbar von dem Bestand des Nachlasses im Erbfall zu unterscheiden ist, wird der Notar regelmäßig mit der Erwartung konfrontiert, eine vollständige Abrechnung aller erbrechtlichen Ansprüche unter den Beteiligten vorzunehmen. Insoweit ist der Notar zunächst gehalten, den Inhalt und Umfang des ihm erteilten Auftrages zu klären. Streiten erbberechtigte Abkömmlinge, kommt eine notarielle Vermittlung der Auseinandersetzung gemäß §§ 363 ff. FamFG in Betracht. Streitigkeiten zwischen erbberechtigten und nicht erb- aber pflichtteilsberechtigten Angehörigen können hingegen nicht durch das Vermittlungsverfahren gelöst werden. Dafür steht dem nicht erb- aber pflichtteilsberechtigten Angehörigen der Anspruch auf Auskunft und Verzeichniserstellung zu, den der erbberechtigte Angehörige nur im Ausnahmefall geltend machen kann, wenn ein Miterbe sich zum Erbschaftsbesitzer aufgeschwungen hat. Die Verpflichtung zur Erstellung eines notariellen Nachlassverzeichnisses sieht § 2027 BGB allerdings nicht vor.
Die Tätigkeit des Notars setzt also die Geltendmachung von Pflicht- bzw. Pflichtteilsergänzungsansprüchen voraus.
Ungeachtet ihrer Bedeutung für den letztendlichen Anspruch empfiehlt es sich aus Gründen der Transparenz, das Verzeichnis des tatsächlichen Nachlassbestandes deutlich ebenso von Feststellungen zu Vermögenswerten zu trennen, die erst aufgrund ausgleichungspflichtiger Verfügungen dem Nachlass zuzurechnen, wie von Feststellungen betreffend besondere Leistungen im Sinne des § 2057a BGB.
Anders als der eigentliche tatsächliche Bestand des Nachlasses sind Angaben zur Ausgleichung besonderer Leistungen im Sinne des § 2057a BGB nicht zwingender Bestandteil des privaten wie des notariellen Nachlassverzeichnisses. Das folgt daraus, dass § 2057a BGB ein Ausgleichungsverlangen des Leistungserbringers erfordert. Insoweit unterscheidet sich die Regelung des § 2057a BGB auch von den Ausgleichungsregelungen der §§ 2050 – 2052 BGB, die eine Ausgleichung zwingend vorsehen. Der Leistungserbringer kann also auf eine Ausgleichung verzichten, wie auch schon zu Lebzeiten des Erblassers.
Dem Auftrag des Erben an den Notar, ein Nachlassverzeichnis zu erstellen, liegt regelmäßig die diesbezügliche Aufforderung eines Pflichtteilsberechtigten zugrunde. Der Erblasser hat also andere Abkömmlinge von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen. Regelmäßig ist es dann der vom Erblasser bedachte Abkömmling selbst, der die Berücksichtigung von ihm oder seiner Familie erbrachter besonderer Leistungen anstrebt zwecks Herabsetzung des ihm gegenüber erhobenen Pflichtteilsanspruches. Wie der Bundesgerichtshof 1992 klarstellte, kann der selbst pflichtteilsberechtigte und zum Alleinerben eingesetzte Abkömmling die Ausgleichung gemäß §§ 2316, 2057a BGB gegenüber anderen Abkömmlingen geltend machen. Dabei hat der Bundesgerichtshof keine Bedenken, wenn es zu einer weitgehenden Entwertung des Pflichtteilsanspruches kommt. In der Tat kann ein Ausgleichungsverlangen nach § 2057a BGB die Nachlassverteilung erheblich beeinflussen. Geltend gemacht und zugesprochene Beträge im höheren 5-stelligen Bereich sind keine Seltenheit. Die Argumentation, der betreuende Angehörige werde bereits durch die Erbeinsetzung belohnt und es komme zu einer Aushöhlung des Pflichtteilsanspruches, ist nicht ganz von der Hand zu weisen. Indessen erwartet der Bundesgerichtshof durchaus eine konkrete Ableitung werterhöhender Auswirkungen auf den Nachlass.
2. Belehrung des Erben
Sieht man die Aufnahme des Nachlassverzeichnisses nach zutreffender Ansicht nicht als Beurkundung einer Willenserklärung im Sinne der §§ 8 ff. BeurkG an, sondern als Beurkundung eigener Tatsachenwahrnehmungen des Notars, so handelt es sich um eine sonstige Beurkundung gemäß § 36 ff. BeurkG, auf die die Regelungen der § 17 BeurkG zur Belehrungspflicht des Notars bei Willenserklärungen nach der Systematik des Beurkundungsgesetzes keine Anwendung finden. Die besondere Qualität des notariellen Nachlassverzeichnisses ergibt sich indes jedoch auch aus dem unmittelbaren Dialog zwischen dem Auskunftsverpflichteten und dem Notar und den damit verbundenen Aufklärungen und Belehrungen durch den Notar. Der Notar soll den Erben eindringlich und unmittelbar über seine Wahrheit...