Leitsatz
1. Der Miterbe, der allein oder zusammen mit weiteren Miterben Titelgläubiger (hier: in einem Zuschlagsbeschluss) eines zum Nachlass gehörenden Anspruchs ist, kann die Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung des Titels verlangen.
2. Dieser Miterbe kann eine vollstreckbare Ausfertigung des Titels verlangen, die nur ihn als Vollstreckungsgläubiger ausweist.
BGH, Beschl. v. 4.11.2020 – VII ZB 69/18
1 Tatbestand
I.
Der Antragsgegner wendet sich gegen eine vom Antragsteller erwirkte Vollstreckungsklausel zu einem Zuschlagsbeschluss vom 24.5.2012, mit dem der Antragsgegner ein zum Nachlass seines verstorbenen Vaters gehörendes Grundstück ersteigert hat.
Die Zwangsversteigerung des zum Nachlass des verstorbenen Vaters gehörenden Grundstücks erfolgte zur Aufhebung der Erbengemeinschaft. Diese besteht aus dem Antragsgegner, seinem Bruder und dessen Sohn, dem Antragsteller.
Nach Abschluss des auf den Zuschlag folgenden Verteilungsverfahrens stellte das Amtsgericht mit Beschl. v. 28.8.2012 fest, dass der Erbengemeinschaft gegen den Antragsgegner noch eine Forderung in Höhe von 152.306,60 EUR zusteht. Über diese Forderung der Erbengemeinschaft hat das Amtsgericht dem Antragsteller am 2.9.2014 eine vollstreckbare Ausfertigung des Zuschlagsbeschlusses mit folgender Vollstreckungsklausel erteilt:
"Vorstehende Ausfertigung wird dem ehemaligen Miteigentümer D. W. (Anmerkung: Antragsteller) zum Zwecke der Zwangsvollstreckung gegen den Ersteher Dr. H. W. (Anmerkung: Antragsgegner) …"
wegen folgender Forderung erteilt:
152.306,60 EUR den ehemaligen Miteigentümern Dr. H. W., D. W. und Di. W. zustehender unverteilt gebliebener Erlösüberschuss.“
Gegen die Erteilung dieser Vollstreckungsklausel hat der Antragsgegner Erinnerung eingelegt und beantragt, die Vollstreckung aus der vollstreckbaren Ausfertigung für unzulässig zu erklären. Das Amtsgericht hat die Erinnerung zurückgewiesen. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde des Antragsgegners ist ohne Erfolg geblieben.
Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Antragsgegner sein Begehren weiter.
2 Gründe
II.
Die gemäß § 574 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, Abs. 3 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist nicht begründet.
1. Das Beschwerdegericht hat im Wesentlichen ausgeführt:
Nach § 2039 BGB sei jeder Miterbe berechtigt, Ansprüche der Erbengemeinschaft mit Wirkung für die gesamte Erbengemeinschaft alleine geltend zu machen. Daraus folge, dass jeder Miterbe die Zwangsvollstreckung gegen einen Nachlassschuldner betreiben und dazu eine vollstreckbare Ausfertigung eines Vollstreckungstitels beantragen könne, den er allein oder alle Erben gemeinsam erwirkt hätten. Anderenfalls würde dem Rechtsgedanken des § 2039 BGB keine Rechnung getragen. Im Falle der Verweigerung eines Miterben bei der Antragstellung für die Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung, wie sie gerade in einem Fall des Erwerbs des teilungsversteigerten Grundstücks durch einen der Miterben naheliege, wäre der die Vollstreckung betreibende Miterbe darauf verwiesen, die Zustimmung des verweigernden Miterben einzuklagen und zu ersetzen. Dies würde sich als enorme Zusatzhürde bei der Auseinandersetzung einer Erbengemeinschaft darstellen, was dem Zweck des Gesetzes nicht entspreche.
2. Das hält der rechtlichen Nachprüfung stand. Das Amtsgericht hat zu Recht die von dem Antragssteller beantragte Vollstreckungsklausel zum Zuschlagsbeschluss (§ 724 ZPO, § 132 Abs. 2 ZVG) erteilt. Der Antragsteller ist nach § 2039 S. 1 BGB befugt, die Erteilung einer Vollstreckungsklausel zu beantragen (a), die als Vollstreckungsgläubiger ausschließlich ihn ausweist (b). Die inhaltlichen Anforderungen einer zugunsten eines Miterben im Rahmen eines Zuschlagsbeschlusses zu erteilenden Vollstreckungsklausel sind erfüllt (c).
a) Der Antragsteller ist antragsbefugt.
Gehört ein Anspruch zum Nachlass, kann jeder Miterbe von dem Verpflichteten die Leistung an alle Erben fordern (§ 2039 S. 1 BGB). § 2039 S. 1 BGB soll gewährleisten, dass jeder Miterbe die durch Untätigkeit einzelner Miterben drohenden Nachteile abwenden kann, ohne selbst einen unberechtigten Sondervorteil zu haben und ohne erst umständlich auf Zustimmung der übrigen Miterben klagen zu müssen (BGH, Urt. v. 5.4.2006 – IV ZR 139/05 Rn 8, BGHZ 167, 150 Protokolle zum BGB Bd. V S. 864 f.). Miterben sind deshalb prozessual keine notwendigen Streitgenossen im Sinne von § 62 ZPO (BGH, Urt. v. 30.1.1957 – V ZR 186/55, BGHZ 23, 207, 212 f.).
Auf dieser Grundlage ist es – wovon auch die Rechtsbeschwerde ausgeht – allgemeine Meinung, dass jeder Miterbe, der allein oder zusammen mit den weiteren Miterben einen Titel über einen zum Nachlass gehörenden Anspruch erwirkt hat, die Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung des Titels verlangen kann (vgl. MüKoBGB/Gergen, 8. Aufl., § 2039 Rn 30; Staudinger/Löhnig, 2020, BGB, § 2039 Rn 38, 44; Soergel/Wolf, BGB, 13. Aufl., § 2039 Rn 8; MüKoZPO/Wolfsteiner, 6. Aufl., § 724 Rn 25 und § 733 Rn 5; Musielak/Voit/Lackmann, ZPO, 17. Aufl., § 724 Rn 5,...