1. Das Verhältnis des Zivilrechts zum Steuerrecht
Im Steuerrecht allgemein ist heute anerkannt, dass Zivilrecht und Steuerrecht gleichrangige, nebengeordnete Rechtsgebiete sind, die allein dem Grundgesetz untergeordnet sind. Das Zivilrecht steht zum Steuerrecht nicht in einem Verhältnis des Vorrangs, sondern in einem Verhältnis der Vorherigkeit. Das Zivilrecht ermöglicht wirtschaftliches Handeln, das Steuerrecht unterwirft den Erfolg des wirtschaftlichen Handelns der Besteuerung.
2. Relativität der Rechtsbegriffe
Nicht selten verwendet der Gesetzgeber in Steuergesetzen Begriffe, die ursprünglich aus dem Zivilrecht bekannt sind. Beispiele hierfür sind die Gesellschaft in § 15 Abs. 1 Nr. 2 S. 1 EStG, die Vermietung in § 4 Nr. 12 lit. a UStG und das Vermächtnis in § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Begriffe müssen jedoch innerhalb einer einheitlichen Rechtsordnung nicht immer dieselbe Bedeutung haben. So unterscheiden sich beispielsweise der zivilrechtliche und der strafrechtliche Fahrlässigkeitsbegriff. Ein Begriff kann, wenn er in unterschiedlichen Gesetzen oder sogar an unterschiedlichen Stellen eines Gesetzes verwendet wird, eine unterschiedliche Bedeutung haben (Relativität der Rechtsbegriffe).
3. Allgemeiner methodologischer Ansatz
Vor dem Hintergrund der Relativität der Rechtsbegriffe hat sich im Steuerrecht der allgemeine methodologische Ansatz durchgesetzt. Durch Auslegung anhand von Wortlaut, Historie, Systematik und Telos wird geprüft, ob ein zivilrechtlich vorgeprägtes Tatbestandsmerkmal seine zivilrechtliche Bedeutung im Steuerrecht behält. Das BVerfG hat diesen allgemeinen methodologischen Ansatz für das Steuerrecht 1991 bestätigt und sich von früheren Entscheidungen, in denen die Ordnungsfunktion des Zivilrechts betont wurde, distanziert. Die zivilrechtliche Bedeutung ist für das Steuerrecht bindend, wenn die Auslegung ergibt, dass ein Tatbestandsmerkmal an das zivilrechtliche Vorverständnis anknüpft. Führt die Auslegung jedoch zu der Erkenntnis, dass dem Begriff ein gesetzesspezifischer Sinn zugrunde liegt, dann ist anhand der wirtschaftlichen Betrachtungsweise zu prüfen, ob die wirtschaftlich-teleologische Bedeutung der zivilrechtlichen entspricht. Knüpft eine Norm nicht an das zivilrechtliche Vorverständnis an, dann umfasst sie häufig alle unter den zivilrechtlichen Begriff subsumierbaren Sachverhalte sowie alle wirtschaftlich gleichgelagerten Sachverhalte. Die wirtschaftliche Betrachtungsweise ist daher – nach heutigem Verständnis – eine Form der teleologischen Auslegung und keine steuerrechtliche Sonderdogmatik.