1. Der methodologische Ansatz im Erbschaftsteuerrecht
Der oben dargestellte allgemeine methodologische Ansatz ist auch im Erbschaftsteuerrecht anerkannt. Verwendet das Erbschaftsteuergesetz ein zivilrechtliches Tatbestandsmerkmal, gilt zunächst keine Vermutung, das entlehnte Tatbestandsmerkmal sei in seinem zivilrechtlichen Sinn zu verstehen. Jedes Tatbestandsmerkmal ist bedeutungsoffen, methodengerecht auszulegen. Lediglich solche Literaturauffassungen, die im Steuerrecht allgemein für eine zivilrechtsakzessorische Auslegung sind, plädieren auch im Erbschaftsteuerrecht für eine grundsätzlich andere Herangehensweise. Die Entscheidung des BVerfG 1991 erging zwar zum Grunderwerbsteuerrecht, die darin enthaltene Grundaussage hat das Gericht jedoch abstrakt und für das ganze Steuerrecht getroffen.
2. Bürgerlich-rechtliche Prägung des Erbschaftsteuergesetzes
Angesichts der Tatsache, dass der allgemeine methodologische Ansatz auch im Erbschaftsteuerrecht anerkannt ist, ist es bemerkenswert, dass trotzdem von einer Maßgeblichkeit des Zivilrechts beziehungsweise bürgerlich-rechtlichen Prägung des Erbschaftsteuerrechts die Rede ist. Die genaue Reichweite der "Maßgeblichkeit des Zivilrechts" ist dogmatisch noch wenig geklärt. Die große Mehrheit der Autoren versteht unter "Maßgeblichkeit des Zivilrechts" jedoch nicht, dass das Zivilrecht für die Auslegung der Tatbestände des Erbschaftsteuerrechts stets entscheidend sei. Stattdessen ist mit dieser etwas missverständlichen Formulierung meist gemeint, dass das Erbschaftsteuerrecht die steuerpflichtigen Tatbestände nicht selbst bestimmt, sondern steuerliche Folgen an das Erfüllen zivilrechtlicher Tatbestände knüpft. Zugleich wird betont, dass das Erbschaftsteuerrecht bei der näheren Einordnung des Vermögensanfalls unabhängig vom Zivilrecht ist. So fingiert das Erbschaftsteuergesetz beispielsweise in § 6 Abs. 2 S. 1 ErbStG den Erwerb des Nacherben als Erwerb vom Vorerben, obwohl der Nacherbe zivilrechtlich Erbe des Erblassers ist (vgl. § 2100 BGB).
3. Ursachen der bürgerlich-rechtlichen Prägung
Die dogmatischen Gründe für die bürgerlich-rechtliche Prägung und Maßgeblichkeit des Zivilrechts sind im Einzelnen noch wenig geklärt. Sie werden teilweise darin gesehen, dass das Erbschaftsteuerrecht an privatrechtlich geprägte Regelungsgegenstände anknüpft: Erbschaft und Schenkung. Für sich genommen ist dieser Grund allerdings noch nicht überzeugend, da das Steuerrecht häufig an zivilrechtlich geprägte Lebenssachverhalte anknüpft, ohne dass sich daraus ein Vorrang für das zivilrechtliche Begriffsverständnis ergibt. Der Steuertatbestand der Vermietung und Verpachtung (§ 21 EStG) beispielsweise greift einen zivilrechtlich geprägten Sachverhalt auf, ohne dass sich daraus eine bürgerlich-rechtliche Prägung des Einkommensteuerrechts ableiten lässt.
Der in der Literatur am häufigsten genannte Grund für die bürgerlich-rechtliche Prägung ist allerdings die tatbestandliche Verknüpfung des Erbschaftsteuerrechts mit dem Zivilrecht. Das Erbschaftsteuergesetz verwendet auffällig viele zivilrechtliche Begriffe und verweist – was für das Steuerrecht ungewöhnlich ist – an zent...