Leitsatz
1. Zur Auslegung der von den Ehegatten – neben ihrer letztwilligen Verfügung der gegenseitigen Einsetzung als Alleinerben – verwendeten Klausel "Bei einem gemeinsamen Tode z.B. Unfall fällt der gesamte Nachlaß an unsere Nichte …". (vgl. bereits OLG München, Beschl. v. 13.8.2018 – 31 Wx 49/17).
2. Eine solche Formulierung kann im Einzelfall auch die Auslegung ergeben, dass die Ehegatten nicht nur den Fall des gleichzeitigen Todes geregelt wissen wollten, sondern auch ein zeitliches Nacheinanderversterben unter der Voraussetzung, dass der überlebende Ehegatte nach dem Tod des Vorversterbens nicht mehr in der Lage ist, eine (weitere) letztwillige Verfügung von Todes wegen zu errichten (vgl. bereits OLG München, Beschl. v. 13.8.2018 – 31 Wx 49/17).
3. Eine Hinderung des überlebenden Ehegatten an der Errichtung einer (weiteren) letztwilligen Verfügung von Todes wegen kann auch darin liegen, dass er aufgrund einer dementiellen Erkrankung nicht mehr in der Lage ist, eine letztwillige Verfügung zu treffen (im Anschluss an OLG München, Beschl. v. 13.8.2018 – 31 Wx 49/17).
OLG München, Beschl. v. 1.12.2021 – 31 Wx 314/19
1 Tatbestand
I.
1. Die Erblasserin war deutsche Staatsangehörige mit letztem gewöhnlichem Aufenthalt im Bundesgebiet. Ihr Ehegatte, mit dem sie in einziger kinderloser Ehe verheiratet war, verstarb nur 10 Tage vor der Erblasserin. Die Erblasserin hatte keine außerhalb der Ehe geborenen Kinder und niemanden als Kind angenommen. Die Beteiligte zu 1 ist eine Nichte der Erblasserin. Die übrigen Beteiligten sind die weiteren gesetzliche Erben.
2. Die Erblasserin hinterließ ein mit ihrem Ehemann errichtetes, gemeinschaftliches, handschriftliches Testament vom 5.6.1992, in dem sich die Eheleute gegenseitig als Alleinerben einsetzten. Weiter heißt es:
"Der überlebende Teil bestimmt den Nacherben allein."
Bei einem gemeinsamen Tode z.B. Unfall fällt der gesamte Nachlass an unsere Nichte M. S. […], die damit auch alle Folgelasten, wie Begräbnis und Pflege der Grabstätte auf Lebenszeit zu tragen hat. […]“
Daneben liegt ein weiteres handschriftliches Testament vom 1.9.2012 vor, unterzeichnet nur vom Ehemann der Erblasserin, in dem es heißt: "F. (= Ehemann der Erblasserin) und K. (= Erblasserin) Z. erklären das hinterlegte Testament für ungültig. Ein neues Testament wird geschrieben und hat letzte Gültigkeit."
Das Nachlassgericht erteilte im Nachlassverfahren bezüglich des Ehegatten der Erblasserin einen Alleinerbschein zugunsten der Erblasserin.
3. Die Beteiligte zu 1 beantragte am 1.9.2016 auf der Grundlage des gemeinschaftlichen Testamentes einen Alleinerbschein betreffend die Erbfolge nach der Erblasserin.
4. Mit Beschl. v. 21.12.2016 erachtete das Nachlassgericht die Voraussetzungen für die Erteilung eines Alleinerbscheins entsprechend dem gestellten Antrag für gegeben. Gegen diesen Beschluss legte die Beteiligte zu 7 am 1.2.2017 Beschwerde ein, der das Nachlassgericht nicht abhalf und am 3.2.2017 dem Oberlandesgericht München zur Entscheidung vorlegte.
5. Mit Beschl. v. 13.8.2018 hob das OLG München den Beschluss des Nachlassgerichts vom 21.12.2016 auf und verwies die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Nachlassgericht zurück (vgl. dazu OLG München, BeckRS 2018, 18077).
6. Im Nachgang traf das Nachlassgericht weitere Feststellungen und erachtete mit Beschl. v. 28.2.2019 nunmehr die Voraussetzungen für die Erteilung eines Alleinerbschein entsprechend dem Antrag der Beteiligten zu 1 für gegeben. Gegen diesen Beschluss legte die Beteiligte zur 7 erneut Beschwerde ein. Das Nachlassgericht half der Beschwerde nicht ab und legte die Sache dem OLG München erneut zur Entscheidung vor.
2 Gründe
II.
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Zutreffend ist das Nachlassgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass die Beteiligte zu 1 aufgrund des gemeinschaftlichen Testaments der Ehegatten vom 15.6.1992 Alleinerbin der Erblasserin ist.
1. Die (erläuternde) Auslegung des Testamentes ergibt, dass nach dem für die Testamentsauslegung maßgeblichen Willen der Erblasserin und ihres vorverstorbenen Ehemannes im Zeitpunkt der Errichtung des Testamentes am 15.6.1992 die Beteiligte zu 1 auch für den hier vorliegenden Fall des zeitlichen Nacheinanderversterbens der Erblasserin und ihres Ehemannes unter der Prämisse als Erbin eingesetzt werden sollte, dass der überlebende Ehegatte nach dem Tod des vorversterbenden nicht mehr in der Lage ist, eine (weitere) letztwillige Verfügung von Todes wegen zu errichten.
a) Maßgebend für die Beurteilung der von den Ehegatten getroffenen Anordnung ist der Wille der beiden Ehegatten allein im Zeitpunkt der Testamentserrichtung, also zum 15.6.1992.
aa) Die Ehegatten haben mit der Formulierung ("Wir setzen uns gegenseitig als Alleinerben ein") den Fall des Erstversterbens des jeweiligen Ehegatten regelt.
bb) Daneben haben sie mit der Formulierung ("Der überlebende Ehegatte bestimmt den "Nacherben" (richtig wohl: Schlusserben“) gerade keine Anordnung für den Fall des Todes des überlebenden Ehegatten getroffen, sond...