Das Urteil des Prozessgerichts, mit dem festgestellt wird, ob der Kläger Erbe geworden ist, erwächst gleichfalls in formelle Rechtskraft (§ 705 ZPO) und kann sodann nicht mehr mit einem Rechtsmittel angegriffen werden. Darüber hinaus ist das Erbenfeststellungsurteil im Gegensatz zum Erbschein auch der materiellen Rechtskraft fähig (§ 322 ZPO). Die materielle Rechtskraft setzt den Eintritt der formellen Rechtskraft voraus und tritt daher erst ein, wenn eine Korrektur des Prozessurteils aufgrund von Rechtsmitteln ausgeschlossen ist.
Die materielle Rechtskraft gewährleistet die Sicherung des inhaltlichen Bestands einer formell endgültigen Entscheidung in weiteren Verfahren. Sie dient nicht nur dem Rechtsfrieden, sondern auch der Entlastung der Gerichte mit der wiederholten Beschäftigung mit der gleichen Streitsache sowie der Wahrung deren Autorität aufgrund der Verbindlichkeit der getroffenen Entscheidung. Die Richtigkeit der Entscheidung hat im Einzelfall auch im Fall von Fehlurteilen zugunsten dem Recht der obsiegenden Partei auf den Bestand einer in einem ordnungsgemäßen Verfahren ergangenen Entscheidung zurückzutreten.
Maßgeblich für den Umfang der materiellen Rechtskraft eines Urteils ist der Streitgegenstand. Dieser wird in erster Linie durch die Urteilsformel bestimmt. Im Fall der Erbenfeststellungsklage ist Streitgegenstand, wer Erbe geworden ist. Über denselben Streitgegenstand, d.h. darüber, wer Erbe geworden ist, darf nicht neu verhandelt werden (ne bis in idem). Die materielle Rechtskraft umfasst alle Einwendungen, die zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vorgelegen haben. Dies bezieht auch Einwendungen ein, die im Prozess nicht erhoben worden sind. Die Rechtskraftwirkung ist somit nicht auf die von den Parteien vorgetragenen Streitpunkte beschränkt. Auch Umstände, die das Prozessgericht nicht erkannt oder berücksichtigt hat, sind mit dem Prozessurteil entschieden.
Das rechtskräftige Feststellungsurteil stellt zwischen den Parteien des Rechtsstreits nach § 325 ZPO das Erbrecht verbindlich fest. Es handelt sich hierbei um eine umfassende Bindungswirkung. In Rechtskraft erwächst dem Streitgegenstand entsprechend die Entscheidung, wer Erbe geworden ist. Ein nachfolgendes Verfahren bei Identität des Streitgegenstands ist unzulässig. Dies gilt gleichermaßen für ein neu angerufenes Gericht und auch für das Nachlassgericht bezüglich des Erbscheinsverfahrens. Die materielle Rechtskraft erstreckt sich dagegen nicht auf das Verhältnis zu Erbprätendenten, die nicht am Erbenfeststellungsprozess beteiligt waren.