1. Erbscheinsverfahren
Das Nachlassgericht entscheidet über die Erteilung des Erbscheins durch Beschluss (§ 38 Abs. 1 S. 1 FamFG). Der Feststellungsbeschluss selbst wird formell rechtskräftig, wenn die Frist für die Erhebung der Beschwerde abgelaufen ist (§ 45 S. 1 FamFG). Diese beträgt auch für eine Beschwerde gegen erstinstanzliche Entscheidungen des Rechtspflegers einen Monat (§§ 58 Abs. 1, 63 Abs. 1 S. 1 FamFG). Zu beachten ist, dass es sich hierbei um eine Notfrist handelt, die nicht verlängert werden kann (§ 16 Abs. 2 FamFG i.V.m. § 224 Abs. 2 ZPO).
Die Wirkung der formellen Rechtskraft besteht darin, dass das Erbscheinsverfahren beendet und die Einlegung einer Beschwerde damit ausgeschlossen ist. Durch eine höhere Instanz kann die Entscheidung des Nachlassgerichts im Fall der eingetretenen formellen Rechtskraft nicht mehr geändert werden.
Nach erfolgter Erteilung eines Erbscheins besteht allerdings keine materielle Rechtskraft für den Bestand des im Erbschein ausgewiesenen Erbrechts. In einem späteren Erbenfeststellungsprozess besteht somit keine Bindung an die über das Erbrecht getroffene Entscheidung des Nachlassgerichts. Ein Streit über das Erbrecht wird durch die Entscheidung im Erbscheinsverfahren nicht ausgeräumt. Der unrichtige Erbschein vermag die wahre Erbenstellung nicht zu ändern. Dementsprechend steht der Zulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde gegen die im Erbscheinsverfahren ergangene letztinstanzliche Entscheidung der Grundsatz der Subsidiarität entgegen, sofern noch eine zivilprozessuale Klage auf Feststellung des Erbrechts möglich ist.
Der wirkliche Erbe kann unabhängig von einem Erbscheinsverfahren vor dem Prozessgericht gegen den Erbscheinserben Klage auf Feststellung seines Erbrechts erheben. Selbst durch einen entgegenstehenden Inhalt eines vom Nachlassgericht erteilten Erbscheins ist er daran nicht gehindert. Das Prozessgericht kann von den Feststellungen des Nachlassgerichts abweichen.
2. Erbenfeststellungsprozess
Das Urteil des Prozessgerichts, mit dem festgestellt wird, ob der Kläger Erbe geworden ist, erwächst gleichfalls in formelle Rechtskraft (§ 705 ZPO) und kann sodann nicht mehr mit einem Rechtsmittel angegriffen werden. Darüber hinaus ist das Erbenfeststellungsurteil im Gegensatz zum Erbschein auch der materiellen Rechtskraft fähig (§ 322 ZPO). Die materielle Rechtskraft setzt den Eintritt der formellen Rechtskraft voraus und tritt daher erst ein, wenn eine Korrektur des Prozessurteils aufgrund von Rechtsmitteln ausgeschlossen ist.
Die materielle Rechtskraft gewährleistet die Sicherung des inhaltlichen Bestands einer formell endgültigen Entscheidung in weiteren Verfahren. Sie dient nicht nur dem Rechtsfrieden, sondern auch der Entlastung der Gerichte mit der wiederholten Beschäftigung mit der gleichen Streitsache sowie der Wahrung deren Autorität aufgrund der Verbindlichkeit der getroffenen Entscheidung. Die Richtigkeit der Entscheidung hat im Einzelfall auch im Fall von Fehlurteilen zugunsten dem Recht der obsiegenden Partei auf den Bestand einer in einem ordnungsgemäßen Verfahren ergangenen Entscheidung zurückzutreten.
Maßgeblich für den Umfang der materiellen Rechtskraft eines Urteils ist der Streitgegenstand. Dieser wird in erster Linie durch die Urteilsformel bestimmt. Im Fall der Erbenfeststellungsklage ist Streitgegenstand, wer Erbe geworden ist. Über denselben Streitgegenstand, d.h. darüber, wer Erbe geworden ist, darf nicht neu verhandelt werden (ne bis in idem). Die materielle Rechtskraft umfasst alle Einwendungen, die zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vorgelegen haben. Dies bezieht auch Einwendungen ein, die im Prozess nicht erhoben worden sind. Die Rechtskraftwirkung ist somit nicht auf die von den Parteien vorgetragenen Streitpunkte beschränkt. Auch Umstände, die das Prozessgericht nicht erkannt oder berücksichtigt hat, sind mit dem Prozessurteil entschieden.
Das rechtskräftige Feststellungsurteil stellt zwischen den Parteien des Rechtsstreits nach § 325 ZPO das Erbrecht verbindlich fest. Es handelt sich hierbei um eine umfassende Bindungswirkung. In Rechtskraft erwächst dem Streitgegenstan...