1. Die Vorsorge
Ein alter Mann, nennen wir ihn Friedhelm, war (anders als sein Name vermuten lässt), in seinem aktiven Leben durch Willenskraft und Durchsetzungsvermögen sehr erfolgreich. Er wusste Bescheid, konnte den Wechselfällen des Lebens wirkungsvoll entgegentreten und sie in seinem Sinne zufriedenstellend lösen. Auch ein erfolgreicher und sehr vermögender Mann wird alt, gebrechlich, abhängig von anderen.
Nun ist "Not am Mann" und Hilfe unabdingbar. Aufgeklärt und gut beraten lässt Friedhelm eine große Vollmacht – die Generalvollmacht – notariell beurkunden. Bevollmächtig sind der langjährige Freund sowie die Tochter, die auch die Mutter schon gepflegt hat. Der Notar kennt die Umstände, weiß um das Vermögen und was der alte Herr für Vorstellungen für die Zeit der Sorge hat. Das Innenverhältnis wird schriftlich fixiert, damit später keine Zweifel aufkommen und beim Notar hinterlegt. Bedacht ist, dass der Aufwand der Bevollmächtigten nicht ohne Entschädigung erbracht werden soll, dass Schenkungen weiterhin möglich bleiben, dass die Aufgabe der eigenen Wohnung notwendig werden könnte und dass Immobilien vielleicht verkauft werden müssen. Die Bevollmächtigten sind zur Auskunft verpflichtet und haben Belege vorzuhalten. Und ja – der alte Mann kennt das Leben – auch eine Kontrolle der Vollmachtnehmer ist geregelt. Also eine sehr gute Vollmacht und deshalb beste Voraussetzung, dass es im Alter an nichts fehlen wird. Die Bevollmächtigten waren bereit und ebenfalls guten Willens.
2. Der Vorsorgefall
Alles gut? Zunächst ja, denn mehr Vorausschau ist kaum möglich. Aber auch sicher? Vielleicht – wenn Friedhelm Glück hat. Denn allein Glück ist es, wenn er nur von lauteren, wohlmeinenden Menschen umgeben ist und zufrieden nach den eigenen, sorgfältig niedergelegten Wünschen leben kann. Zur Wahrheit gehört nämlich, dass Vorsichtsmaßnahmen allein nicht ausschlaggebend sind für die Wahrscheinlichkeit, nicht Opfer zu werden. Denn Friedhelm kann – wie andere in seiner veränderten Lebenslage – in den Fokus einschlägiger "Interessenten" mit wenig ehrbaren Absichten geraten. Und Friedhelm ist gefährdet, denn es gibt bei ihm viel zu holen. Sehr viel. Und ja, da werden ziemlich viele Kreise sehr interessiert. Es müssen nicht kriminelle Banden sein bzw. ist es ein Irrglaube, dass Menschen "nur mit hoher krimineller Energie" der Versuchung erliegen. Da wird auch die Pflegekraft schon mal schwach. Oder der Gärtner, der Taxifahrer, die Haushaltshilfe. Und auf die ist Friedhelm für die Bewältigung des Alltags angewiesen, denn die Tochter und der Freund sind nicht immer um ihn. Die Einschränkungen nehmen zu, die Anforderungen ändern sich, der Hilfebedarf wird größer, die eigene Unfähigkeit leider auch. Die neuen Handys sind so klein, die Augen so schwach, die Erklärungen so schwer verständlich. Immer dieses Internet. Es geht ja nichts mehr ohne.
Also wächst die Abhängigkeit von anderen, von deren Zeit, Kraft und Willen. Gleichzeitig nutzen die lebenslang erworbenen Fähigkeiten nicht mehr wirklich und die eigenen Möglichkeiten, sich auf neue Alternativen adäquat einzustellen, werden ebenfalls weniger. Die notwendige Kontrolle (geboren aus einem immerwährenden Quäntchen Misstrauen) ist auch nicht aufrechtzuhalten. Ganz praktisch nicht, weil die Kontoauszüge zwar online abrufbar sind, aber Friedhelm damit einfach nicht mehr klarkommt und er obendrein nicht mehr genug sieht und nicht mehr versteht, wer da alles vom Konto einzieht. Wird schon stimmen. Muss einfach.
In dieser Lage brauchen Friedhelm und die vielen anderen in seiner Lage die Hilfe des Gesetzgebers. Bekommt er diese Hilfe? Schauen wir hin:
3. Der "Graubereich"
Der "Graubereich" bezeichnet den fließenden Übergang zwischen Geschäftsfähigkeit und Geschäftsunfähigkeit, die rechtlich erst durch ein Gericht festgestellt werden muss.
Nach dem neuen Recht ist Friedhelms Wille, nicht seine Hilfebedürftigkeit, oberstes Gebot. Auch wenn Friedhelm in gewohnter Manier und herrischem Befehlston Anweisungen erteilt, die zwar keinen rechten Sinn ergeben und auf falschen Annahmen beruhen, muss sein Wille geschehen – unabhängig davon, wie nachteilig die Folgen vielleicht sind. Wenn Friedhelm z.B. glaubt, das Haus der Pflegerin übertragen zu müssen, weil andernfalls die Pflege nicht gewährleistet wäre und er davon nicht abzubringen ist – wer könne sich dem entgegenstellen? Wenn die Tochter, so weit weg und mit dem eigenen Leben beschäftigt, nicht die gewünschte Zeit für ihn hat, sucht er eben andere Lösungen. Dafür hat er ja sein Vermögen! Und die Banken und der Staat wollen eh nur sein Geld und raten deshalb von kostspieligen Ausgaben ab. Aber Friedhelm wollte doch mit dem Bargeld eine Weltreise machen und schon immer diesen Porsche haben, selbst wenn er ihn weder fahren kann noch in ihn hineinkommt (also eher nicht mehr heraus). Und was erlaubt sich dieser Bankmitarbeiter? Es ist sein Geld. Es muss deshalb in Sicherheit gebracht werden. In Go...