Ziel eines Verfahrens nach dem ersten Abschnitt des Verschollenheitsgesetzes ist die Todeserklärung mit der Versterbensvermutung des § 9 VerschG. Diese wird für den Eintrag in das Sterberegister und in der Folge für die Sterbeurkunde benötigt. Gem. § 2 VerschG sind Voraussetzungen die Verschollenheit gem. § 1 VerschG sowie der Fristablauf nach den §§’3–7 VerschG, welche im Aufgebotsverfahren nach den §§ 13–38 VerschG i.V.m. den Vorschriften des FamFG festgestellt werden.
Abzugrenzen ist das Verschollenheitsverfahren insb. von dem Aufgebotsverfahren gem. § 352d FamFG (bis zum 17.8.2015 in § 2358 Abs. 2 BGB enthalten). Im Rahmen eines Erbscheinsverfahrens kann dort festgestellt werden, dass keine anderen Personen existieren, die dem Erbrecht des Antragsstellers entgegenstehen. Das Verfahren nach dem VerschG hat insofern keinen Vorrang. Für die Zeit bis zur Entscheidung über den Antrag nach dem VerschG ist eine Abwesenheitspflegschaft gem. § 1884 BGB (§ 1911 BGB a.F.) denkbar.
1. Verschollenheit, § 1 VerschG
§ 1 Abs. 1 VerschG definiert die Verschollenheit, wonach der Aufenthalt der Person während längerer Zeit unbekannt sein muss und keine Nachrichten darüber vorliegen dürfen, ob sie in dieser Zeit noch gelebt hat oder gestorben ist. Damit findet i.V.m. § 1 Abs. 2 VerschG auch eine Abgrenzung zu Fällen statt, bei denen der Tod an sich nicht zweifelhaft ist, aber der Ort, die Umstände oder der Zeitpunkt.
Zum unbekannten Aufenthalt und der Nachrichtenlosigkeit müssen ernstliche Zweifel am Fortleben der Person hinzutreten. Vom Antragssteller sind belastbare Anhaltspunkte vorzutragen. Ausreichende Zweifel bestehen nicht schon dann, wenn aufgrund eines Alters von 90 Jahren ein Ableben wahrscheinlicher als ein Leben erscheint. Entsprechend reicht eine Nachrichtenlosigkeit nicht, wenn ein Mensch ein "Aussteigen" aus seinen bisherigen Lebensverhältnissen angekündigt hatte.
2. Fristen, §§ 3–8 VerschG
Grundsätzlich müssen gem. § 3 VerschG zehn Jahre seit der letzten Nachricht, nach welcher der Verschollene noch gelebt hat, vergangen sein; bei Personen, die bei der Todeserklärung 80 Jahre oder älter wären, genügen fünf Jahre. Allerdings darf keine Todeserklärung für jemanden erfolgen, solange diese Person nicht das 25. Lebensjahr erreicht hätte. Die Zehn-Jahresfrist kann unter bestimmten Voraussetzungen nach den §§ 4–7 VerschG verkürzt werden.
Übersicht:
Ereignis |
VerschG |
Frist |
Keine Nachricht, nach welcher der Verstorbene noch lebt. |
§ 3 |
10 Jahre (80 Jahre und älter: 5 Jahre) nicht vor 25. Lebensjahr |
Krieg o.Ä. |
§ 4 |
1 Jahr seit Kriegsende oder hoher Wahrscheinlichkeit des Todes |
Schiffsuntergang |
§ 5 |
grds. 6 Monate |
Flugzeugunglück |
§ 6 |
grds. 3 Monate |
Lebensgefahr |
§ 7 |
1 Jahr |
Bei Verschollenheit im Krieg oder bei kriegsähnlichen Unternehmen kann sich die regelmäßige Frist von einem Jahr seit Kriegsende auf ein Jahr seit dem Vermissen verkürzen, wenn die Wahrscheinlichkeit des Todes aufgrund der Umstände hoch ist. Das könnte beispielsweise denkbar sein, wenn die Teilnahme ohne Rückkehr an einer bestimmten, verlustreichen Schlacht bekannt ist. Bei der Teilnahme an einer Seefahrt beginnt die Frist erst ein Jahr nach der letzten Nachricht, wenn ein Schiffsuntergang nicht feststellbar ist, was aber im Einzelfall auf bis zu drei Monate verkürzt werden kann. Allerdings soll sich § 5 VerschG als "Seeverschollenheit" nicht auf Binnengewässer wie den Bodensee beziehen.
Praxisrelevant ist die Verkürzung der Frist auf ein Jahr aufgrund von Lebensgefahr gem. § 7 VerschG, da sonst die lange, zehnjährige Regelfrist des § 3 VerschG gilt. Steht eine Lebensgefahr fest, nicht aber der Tod, kann gem. § 7 VerschG eine Frist von einem Jahr gelten. Allerdings darf die Lebensgefahr nicht aus Umständen entsprechend der §§ 4–6 VerschG (Krieg, Schiffs- oder Flugunglück) entsprungen sein.
Die Lebensgefahr wird beispielhaft durch das OLG Brandenburg definiert als
Zitat
"jeder Zustand und jedes Ereignis … , durch die das Leben eines Menschen in ungewöhnlichem Maße bedroht wird."
Unwesentlich sei, ob es sich um ein plötzliches Ereignis oder um einen länger anhaltenden Zustand handele. Wichtig ist aber das Vorliegen eines ungewöhnlichen Gefahrenmoments,
Zitat
"das über das allgemeine Lebensrisiko hinausgeht."
Die Lebensgefahr muss schließlich spezifiziert werden wie gefährliche Bergbesteigungen, eine Entführung, ein Eisenbahn- oder Grubenunglück, Brand, Erdbeben, ...