Erbschaften im SGB II/XII
Im SGB II und SGB XII wird Einkommen und Vermögen nach der Rechtsprechung des BSG grundsätzlich über die sog. modifizierten Zuflusstheorie abgegrenzt. Für die Frage, wann etwas zufließt, ist grundsätzlich vom tatsächlichen Zufluss auszugehen, soweit nicht normativ ein anderer Zufluss als maßgeblich bestimmt wird. Mit der Bürgergeldreform werden Erbschaften nicht (mehr) als Einkommen berücksichtigt. Dies hat zur Folge, dass Erbschaften in dem Monat, in dem das Erbe zufließt, neutral sind. Ist die Erbschaft in dem Monat nach dem Zuflussmonat noch vorhanden, ist sie Vermögen. Es gelten die Vermögensfreibeträge des § 12 SGB II/§ 90 SGB XII. Es steht dem Leistungsberechtigten frei, die Erbschaft im Zuflussmonat in sonstiges geschontes Vermögen, etwa ein angemessenes Hausgrundstück, umzuwandeln. Auch wenn das Gesetz ausdrücklich nur Erbschaften erwähnt, muss die Nichtberücksichtigung auch für Vermächtnisse und Pflichtteilsansprüche geltend.
Beim Behindertentestament mit Vor- und Nacherbschaft und einschränkenden Verwaltungsanordnungen sind Herausgabe- oder Freigabeanspruch des (Vor-)Erben möglich. Der Anspruch kann vom Sozialleistungsträger ob übergeleitet werden. (nicht amtl. Leitsatz)
Der durch den Sozialleistungsträger überzuleitende Anspruch ist gerichtet auf Herausgabe der Nutzungen und Erträge aus dem erworbenen Vermögen, sofern dies den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Verwaltung entspricht. Die Herausgabepflicht betrifft diejenigen Nutzungen, die nicht zur Erfüllung der testamentarisch vorgesehenen Unterstützungs- und Unterhaltsleistungen verwendet würden bzw. nach Erbringung dieser übrigblieben.
Praxistipp:
Soweit dem (Vor-)Erben Ansprüche gegen den Testamentsvollstrecker zustehen, sind diese grundsätzlich überleitungsfähig. Hierzu gehören neben dem vom LSG NRW in den Blick genommenen Anspruch auf ordnungsgemäße Verwaltung insbesondere auch der Anspruch nach § 2219 BGB. Nach § 2219 Abs. 1 BGB ist der Testamentsvollstrecker dem Erben zum Ersatz desjenigen Schadens verpflichtet, der aus einer schuldhaften Verletzung einer ihm obliegenden Pflicht folgt. Immer dann, wenn nicht "der Nachlass als solcher", sondern nur der Mit (Vor-)erbe in seinem Erbanteil geschädigt ist, gehört der Ersatzanspruch nicht zum Nachlass und kann von dem geschädigten Miterben bzw. nach Überleitung vom Sozialleistungsträger geltend gemacht werden.
Ein in der Person des Berechtigten liegendes Ausübungshindernis führt nicht generell zum Erlöschen des Wohnungsrechts, selbst wenn das Hindernis auf Dauer besteht. Das Wohnungsrecht geht bei einem Einzug des Berechtigten in ein Pflegeheim nicht ohne besondere Vereinbarung unter.
Für das Erlöschen dieses Wohnungsrechts gelten daher dieselben Grundsätze wie das Erlöschen einer solchen Dienstbarkeit. Danach erlischt das Recht, wenn seine Ausübung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen dauerhaft unmöglich ist, wenn das Recht niemandem mehr einen Vorteil bietet. An diesen Voraussetzungen fehlt es, wenn das Wohnungsrecht aufgrund der Aufnahme des Berechtigten in ein Pflegeheim nicht ausgeübt werden kann. Denn ihm bleibt nach § 1019 Abs. 1 S. 2 BGB die Möglichkeit, mit Gestattung des Grundstückseigentümers die Ausübung seines Rechts anderen zu überlassen und dadurch z.B. für sich einen Mietanspruch gegen den Besitzer der dem Recht unterliegenden Räume zu begründen.
Praxishinweis:
Um ein Erlöschen eines Wohnungsrechts bei dauerhaftem Einzug in ein Pflegeheim zu gewährleisten, so muss dies bereits bei der Begründung der Dienstbarkeit ausdrücklich vereinbart werden. Der spätere kompensationslose Verzicht auf das Wohnungsrecht stellt eine Schenkung dar, die nach Überleitung vom Sozialleistungsträger zurückgefordert werden kann.
Autor: Ulf Schönenberg-Wessel, Rechtsanwalt und Notar, Fachanwalt für Erbrecht, Kiel
ZErb 1/2024, S. 23