Walter Zimmermann
4. Auflage 2023
335 Seiten, 44 Euro
Erich Schmidt Verlag, ISBN 978-3-503-23671-8
"Die Axt im Haus erspart den Zimmermann" – ein Lob der Selbstständigkeit. Die üben wir täglich zur Genüge aus. Entscheidungen treffen und Verantwortung übernehmen sind Kernaufgaben unseres Berufs. Allerdings ist uns bewusst, dass wir immer weiter lernen sollten, um die Entscheidungen bestmöglich zu treffen. Sonst kann es sein, dass wir uns oder unserem Mandanten – um im Bild zu bleiben – ins Bein hacken.
Anlass für die Befassung mit einem eigentlich bekannten Rechtsgebiet geben immer wieder Reformen. Die zum Vormundschafts- und Betreuungsrecht mit Wirkung zum 1.1.2023 hat dazu geführt, dass fast alle Werke zum Vorsorgerecht überarbeitet und neu aufgelegt wurden. Zwar standen Vorsorgevollmacht, Patienten- und Betreuungsverfügung nicht im Zentrum der Reform, wurden aber vielfach von ihr betroffen. Zudem wurde das Ehegattenvertretungsrecht mit neuen Befugnissen für Ehegatten eingeführt.
Erfreulicherweise hat auch Prof. Dr. Zimmermann, Vizepräsident des LG Passau a.D., sein Werk in neuer, bearbeiteter und erweiterter Auflage herausgebracht. Beibehalten hat er die gute Struktur seiner Darstellung, welche ein Nachschlagen zu akuten Problemen leicht macht. Die angenehm zu lesende, klare Sprache ist ebenfalls nicht verlorengegangen.
Zimmermann zeichnen substantiierte, abwägende und begründende Darstellungen aus. Er ist klar in seinen Ansichten bei Streitfragen oder zu den verschiedenen Varianten der Vorsorgegestaltung. Sie können dabei so nachvollzogen werden, dass es möglich ist, sich auch für andere Meinungen zu entscheiden – dies dann aber auf einer soliden Wissensbasis.
Beispielsweise wird deutlich, dass Zimmermann den sorglos verbreiteten, unbeschränkten Vorsorgebevollmächtigungen skeptisch gegenübersteht. Er plädiert für Beschränkungen in der Vertretungsmacht und bietet dafür im Musterteil seines Buchs auch Vorlagen. Auch dem Appell, es im Zweifel zu einer Betreuung kommen zu lassen und mit einer Betreuungsverfügung vorzusorgen, kann beigepflichtet werden.
Die professionelle Vollmachtsübernahme durch Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte ist ein Mittel zur Missbrauchsvorsorge. Zimmermann stellt auf sieben Seiten dar, dass eine entgeltliche Tätigkeit für mehrere Personen außerhalb des persönlichen Kreises nach dem RDG nur als Rechtsanwalt oder Notar zulässig und für andere Personen nicht einmal erlaubnisfähig ist (Rn 145e f.). Das ist nach Kenntnis des Rezenten in seiner Ausführlichkeit und Genauigkeit einzigartig.
Zimmermann geht ausführlich auf das Innenverhältnis bei einer Vorsorgevollmacht ein (Rn 151), zeigt sehr gut die Nachteile von Bedingungen bei der Wirksamkeit von Vollmachten (Rn 59), behandelt Sonderfälle wie die Bluttransfusion bei Zeugen Jehovas (Rn 82), Problematisches wie die wohl zulässigen, freiheitsentziehenden Maßnahmen außerhalb von Heimen (Rn 205) und äußert sich bedenkenswert kritisch zu Schenkungsmöglichkeiten durch den Bevollmächtigten (Rn 96). Etwas knapp sind die Ausführungen zur unternehmensbezogenen (Rn 127) und zur digitalen Vorsorge (Rn 142a). Die Darstellung des neuen Ehegattenvertretungsrechts ist klar, enthält sich aber weitgehend Wertungen, insbesondere hinsichtlich zu erwartender Probleme und offenen Rechtsfragen (Rn 362a).
Die für Vorsorgevollmachten wesentlichen Neuerungen durch die Reform werden dargestellt und in den allgemeinen Kontext gestellt, wie der Vollmachtswiderruf, die Suspendierung von Vollmachten und die Kontrollbetreuung. Zimmermann überlastet das Buch angenehmerweise nicht mit Fußnoten, was an der einen oder anderen Stelle aber auch weiterführende Hinweise vermissen lässt. Im Anhang findet der Leser übersichtliche Muster von Vorsorgevollmachten, einen Vertrag zur Regelung des Innenverhältnisses, eine Betreuungs- und eine Patientenverfügung. Schwierige Konstellationen werden besonders beachtet, wie die Bevollmächtigung von mehreren Personen.
Zimmermanns Werk ist auch in der Neuauflage eines der besten Lern-, Nachschlage- und Gestaltungswerke zum Vorsorgerecht. Daher sparen Sie ruhig mit der Axt im Haus – aber nicht an diesem Zimmermann.
Dr. Dietmar Kurze, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Erbrecht, Vorsorgeanwalt, Berlin
ZErb 1/2024, S. 36 - 37