Eine bedauerliche Einzelrichterentscheidung aus Köln.
Soweit die Beklagte den Auskunftsanspruch anerkannt hat (Auskunft über Schenkungen innerhalb der letzten 10 Jahre vor dem Erbfall, insbesondere unentgeltliche und teilunentgeltliche Zuwendungen durch Verträge zugunsten Dritter wie z. B. Lebensversicherungen; Auskunft über sämtliche Zuwendungen durch Verträge zugunsten Dritter im Zehnjahreszeitraum und danach, unter namentlicher Benennung der auszahlenden Institute mit Versicherungs- bzw. Kontonummer) hatte das Landgericht Köln der Klage gemäß § 307 Satz 1 ZPO stattzugeben. An das Anerkenntnis war das Gericht ungeachtet der materiellen Rechtslage gebunden.
Für den über das Anerkenntnis hinausgehenden Anspruch (Auskunft über die ausgezahlten Lebensversicherungssummen) kann sich die Klägerin auf einen Auskunftsanspruch aus § 2314 BGB analog bzw. § 242 BGB berufen. Eine direkte Anwendung des § 2314 BGB kommt nicht in Betracht, da die Klägerin Miterbin ist.
Im Zentrum des Rechtsstreits steht die Frage, ob im Rahmen der Pflichtteilsergänzung (§ 2325 BGB) die vom Erblasser gezahlten Versicherungsprämien Zuwendungsgegenstand sind oder die ausgezahlte Lebensversicherungssumme.
Das Landgericht Göttingen (Urteil vom 23. März 2007 – 4 S 6/06, ZErb 2007, 307 = ZEV 2007, 386) und das Landgericht Paderborn (Urteil vom 3. Mai 2007 – 4 O 595/06, ZErb 2007, 429) haben unlängst entschieden, dass mit Blick auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofes zum Insolvenzrecht – Urteil vom 23. Oktober 2003, Az. IX ZR 252/01, BGHZ 156, 350 = NJW 2004, 214 – auch im Pflichtteilsrecht nicht mehr die Prämien, sondern die Versicherungssumme als Zuwendungsgegenstand zu betrachten sei.
Während sich die Landgerichte Göttingen und Paderborn mit dem in der Literatur – neben der Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur Rechtsfähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts – als "Jahrhundert-Entscheidung" (Elfring NJW 2004, 483, 485) bezeichneten Urteil des Bundesgerichtshofs vom 23.Oktober 2003 auseinandergesetzt haben, ist das Landgericht Köln auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofes zum Insolvenzrecht überhaupt nicht eingegangen. Dies ist bedauerlich. Denn die Frage der Übertragbarkeit der insolvenzrechtlichen Entscheidung auf das Erbrecht wird aktuell in der Literatur lebhaft diskutiert. Trimborn von Landenberg in Krug/Rudolf/Kroiß, Erbrecht, 3. Aufl. 2006, § 25 Rn 71, spricht von einer starken Tendenz, die entsprechend der Entscheidung zum Insolvenzrecht die Versicherungssumme als Zuwendungsgegenstand favorisiere (so auch das Landgericht Göttingen ZErb 2007, 307, 309). Eine obergerichtliche Entscheidung ist hierzu – soweit ersichtlich – noch nicht ergangen (OLG Hamm ZEV 2005, 126, 127 enthält entgegen Schulz ZErb 2005, 280, 281, keine für § 2325 BGB maßgebliche Entscheidung). Bei einer Kammerentscheidung wäre der hier zur Entscheidung stehenden Frage vermutlich mehr Beachtung geschenkt worden.
Ohne die Entwicklung der bisherigen Rechtspraxis umfassend darzustellen (s. dazu mit zahlreichen Nachweisen Elfring ZEV 2004, 305, 309; sicherlich auch bereits Elfring, Drittwirkungen der Lebensversicherung, 2003), sei nur kurz erwähnt, dass die bislang herrschende Meinung einer durchaus fraglichen "Leitentscheidung" des Reichsgerichts gefolgt ist. Mit RGZ 128, 187 brachte das Reichsgericht die heute noch aktuelle Begründung, dass die vom Erblasser geleisteten Prämien Gegenstand der Zuwendung seien, weil der Pflichtteilsberechtigte im Rahmen des § 2325 Abs. 1 BGB nur Anspruch auf diejenigen Werte habe, um die der Erblasser sein Vermögen effektiv vermindert habe. Der Bundesgerichtshof hat die Rechtsprechung des Reichsgerichts ohne nähere Begründung übernommen (Elfring ZEV 2004 aaO unter Hinweis auf BGHZ 7, 134, 143; BGH FamRZ 1976, 616, 617 m. abl. Anm. Harder; BGH VersR 1987, 659, 661 = NJW 1987, 3131, 3132; BGHZ 130, 377, 380; s. auch Kuhn/Rohlfing ErbR 2006, 11, 14 f).
Die Vertreter der Meinung, dass nicht die Prämien, sondern die Versicherungssumme den Gegenstand der Zuwendung darstellt (aus jüngerer Zeit: Harder, Zuwendungen unter Lebenden auf den Todesfall, 1968, S. 128 Fn 36, ders. FamRZ 1976, 617; Thiele, Lebensversicherung und Nachlassgläubiger, 1968, S. 103 ff, 115 ff; Heilmann VersR 1972, 997, 1001 Fn 43; Fuchs JuS 1989, 179,182; Lorenz in Festschrift Dieter Farny, 1994, S. 335, 356 ff; Bayer, Der Vertrag zugunsten Dritter, 1995, S. 312, 314 ff; Kollhosser in Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl., 2004, § 13 ALB 86 Rn 48; Elfring, Drittwirkungen der Lebensversicherung, 2003, S. 98 ff; ders. NJW 2004, 483, 485, ders. ZEV 2004, 305, 309 f; Progl ZErb 2004, 187 ff; Edenhofer in Palandt, 64. Aufl., 2005, § 2325 Rn 12, etwas zurückhaltender ab der 65. Aufl.; Eulberg/Ott-Eulberg/Halaczinsky, Die Lebensversicherung im Erb- und Erbschaftsteuerrecht, 2005, Rn 218 ff; Hasse, Lebensversicherung und erbrechtliche Ausgleichsansprüche, 2005; Kuhn/Rohlfing ErbR 2006, 11, 14 ff; wenigstens kritisch bereits Jörg Mayer DNotZ 2000, 905, 926 f; ders. in Mayer/Süß/Tanck/Bittler/...