Leitsatz
Bei Pflichtteilsergänzung sind die vom Erblasser gezahlten Prämien Zuwendungsgegenstand, nicht die Lebensversicherungssumme. (Leitsatz des Einsenders)
Landgericht Köln, Teil-Anerkenntnisurteil und Teilurteil vom 18. Dezember 2007 – 16 O 571/06
Sachverhalt
Am 24.8.2005 verstarb der zuletzt in P. wohnhafte Dr. S. S., ohne Abkömmlinge zu hinterlassen. Ausweislich eines gemeinschaftlichen Erbscheins des Amtsgerichts Bergheim vom 17.1.2006 – 11 VI 11/06 – ist der Erblasser zu 3/4 von seiner Ehefrau, der Beklagten, sowie zu 1/8 von seiner Mutter, der Klägerin und zu je 1/16 von seinen Geschwistern R. S. und G. W. beerbt worden. Mit der Klage verfolgt die Klägerin gegen die Beklagte einen Anspruch auf Pflichtteilsergänzung und verlangt insoweit von der Beklagten Auskunft. Diese hat den Auskunftsanspruch, soweit er tenoriert worden ist, anerkannt. Die Klägerin verlangt darüber hinausgehend betreffend Lebensversicherungen des Erblassers von der Beklagten den Namen der die Lebensversicherung auszahlenden Institute, ferner die Versicherungs- bzw. Kontonummer und den ausgezahlten Betrag Die Beklagte beantragt insoweit Klageabweisung.
Aus den Gründen
Der Anspruch, soweit er tenoriert wurde, beruht auf den §§ 2314 BGB, 307 ZPO. Ein weitergehender Auskunftsanspruch, so wie ihn die Klägerin geltend macht, steht ihr dagegen nicht zu.
Zahlungen der Versicherungssumme an einen Bezugsberechtigten aus einer Lebensversicherung erfolgen grundsätzlich außerhalb des Nachlasses aufgrund eines Vertrages unter Lebenden (§§ 330 BGB, 167 VVG). Das bedeutet allerdings nicht, dass sie bei der Geltendmachung eines Pflichtteilsanspruchs ohne rechtliche Bedeutung sind. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung werden im Rahmen eines Pflichtteilsergänzungsanspruchs nach § 2325 BGB bei einer Lebensversicherung des Erblassers zugunsten eines Dritten nicht die gesamten Leistungen des Versicherers, sondern nur die gezahlten Prämien als Gegenstand der Schenkung behandelt. Daher ist die Beklagte verpflichtet, über diese Prämien der Klägerin Auskunft zu erteilen.
Dagegen ist sie nicht verpflichtet, die an sie ausgezahlte Versicherungssumme im Rahmen eines Rechtsstreits zu offenbaren. Zwar kann auch die effektiv ausgezahlte Versicherungssumme im Zusammenhang mit einem Pflichtteilsanspruch bedeutsam sein, nämlich dann, wenn die Versicherung an eine kreditgebende Bank abgetreten oder diese selbst bezugsberechtigt ist. Anhaltspunkte für eine solche Ausnahme sind nicht ersichtlich.
Anmerkung
Eine bedauerliche Einzelrichterentscheidung aus Köln.
Soweit die Beklagte den Auskunftsanspruch anerkannt hat (Auskunft über Schenkungen innerhalb der letzten 10 Jahre vor dem Erbfall, insbesondere unentgeltliche und teilunentgeltliche Zuwendungen durch Verträge zugunsten Dritter wie z. B. Lebensversicherungen; Auskunft über sämtliche Zuwendungen durch Verträge zugunsten Dritter im Zehnjahreszeitraum und danach, unter namentlicher Benennung der auszahlenden Institute mit Versicherungs- bzw. Kontonummer) hatte das Landgericht Köln der Klage gemäß § 307 Satz 1 ZPO stattzugeben. An das Anerkenntnis war das Gericht ungeachtet der materiellen Rechtslage gebunden.
Für den über das Anerkenntnis hinausgehenden Anspruch (Auskunft über die ausgezahlten Lebensversicherungssummen) kann sich die Klägerin auf einen Auskunftsanspruch aus § 2314 BGB analog bzw. § 242 BGB berufen. Eine direkte Anwendung des § 2314 BGB kommt nicht in Betracht, da die Klägerin Miterbin ist.
Im Zentrum des Rechtsstreits steht die Frage, ob im Rahmen der Pflichtteilsergänzung (§ 2325 BGB) die vom Erblasser gezahlten Versicherungsprämien Zuwendungsgegenstand sind oder die ausgezahlte Lebensversicherungssumme.
Das Landgericht Göttingen (Urteil vom 23. März 2007 – 4 S 6/06, ZErb 2007, 307 = ZEV 2007, 386) und das Landgericht Paderborn (Urteil vom 3. Mai 2007 – 4 O 595/06, ZErb 2007, 429) haben unlängst entschieden, dass mit Blick auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofes zum Insolvenzrecht – Urteil vom 23. Oktober 2003, Az. IX ZR 252/01, BGHZ 156, 350 = NJW 2004, 214 – auch im Pflichtteilsrecht nicht mehr die Prämien, sondern die Versicherungssumme als Zuwendungsgegenstand zu betrachten sei.
Während sich die Landgerichte Göttingen und Paderborn mit dem in der Literatur – neben der Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur Rechtsfähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts – als "Jahrhundert-Entscheidung" (Elfring NJW 2004, 483, 485) bezeichneten Urteil des Bundesgerichtshofs vom 23.Oktober 2003 auseinandergesetzt haben, ist das Landgericht Köln auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofes zum Insolvenzrecht überhaupt nicht eingegangen. Dies ist bedauerlich. Denn die Frage der Übertragbarkeit der insolvenzrechtlichen Entscheidung auf das Erbrecht wird aktuell in der Literatur lebhaft diskutiert. Trimborn von Landenberg in Krug/Rudolf/Kroiß, Erbrecht, 3. Aufl. 2006, § 25 Rn 71, spricht von einer starken Tendenz, die entsprechend der Entscheidung zum Insolvenzrecht die Versicherungssumme als Zuwendungsgegenstand favorisiere (so auch das Landgericht Göttinge...