Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I. Nach Auffassung des Berufungsgerichts gebührt dem Kläger nur eine Pflichtteilsquote von 25 %, da sein Bruder bei der Berechnung des Pflichtteils nach § 2310 Satz 1 BGB mitzuzählen sei. Dessen Erbverzicht sei bereits wegen der Vermutung des § 2350 BGB unwirksam; dem Tatsachenvortrag des Beklagten zur Unterstützung dieser Vermutung habe daher nicht nachgegangen werden müssen. Der Tatsachenvortrag des Klägers gegen einen Erbverzicht unter der Bedingung seiner Erbeinsetzung sei unbeachtlich, weil es insofern auf den Willen beider Vertragsparteien ankomme, ein entsprechender Wille des Erblassers jedoch nicht festgestellt werden könne. Eine teleologische Reduktion des § 2350 BGB sei nicht geboten. Dessen Schutzzweck ziele darauf, eine ungewollte Begünstigung nachfolgender Erbordnungen oder Dritter durch deren verzichtsbedingtes Nachrücken in die Erbenstellung zu verhindern. Auf den Pflichtteilsverzicht finde § 2350 BGB aber keine Anwendung, da er ausschließlich die erbrechtliche Stellung der Beteiligten betreffe; er diene deshalb nicht der Erhaltung oder Erhöhung von Pflichtteilsansprüchen. Bei einer Pflichtteilsquote von 25 % verbleibe es auch, wenn man mit dem Landgericht von einer Unwirksamkeit des Erb-, nicht aber des Pflichtteilsverzichts des Bruders ausgehe. Dass dem Beklagten wirtschaftlich 75 % des Nachlasses verblieben, sei nicht Rechtsfolge des Erb-, sondern des Pflichtteilsverzichts.
II. Ob diesen Erwägungen des Berufungsgerichts zu § 2350 BGB beizutreten ist, kann offen bleiben; sie sind nicht entscheidungserheblich. (...)
Eine eigene Sachentscheidung ist dem Senat mangels Entscheidungsreife verwehrt (§ 563 Abs. 3 ZPO). Es bedarf zunächst weiterer Tatsachenfeststellungen zu den – umstrittenen – beiderseitigen Vorstellungen der Vertragsparteien über Umfang und Wirkung des Erbverzichts insgesamt bzw. eines isolierten Pflichtteilsverzichts. Für das weitere Verfahren weist der Senat dazu auf Folgendes hin:
Bei einem unbeschränkten Verzicht nach § 2346 Abs. 1 BGB teilt der Pflichtteilsverzicht (§ 2346 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 BGB) grundsätzlich das rechtliche Schicksal des Erbverzichts (vgl. Staudinger/Schotten, BGB [2004] § 2350 Rn 16; offenbar auch Soergel/Damrau, BGB 13. Aufl. § 2350 Rn 2; Tschichoflos in Frieser, KK-Erbrecht § 2350 Rn 12; Kretzschmar, Das Erbrecht des Deutschen Bürgerlichen Gesetzbuchs 2. Aufl. [1913] S. 395 Fn 22; BGB-RGRK/Johannsen, 12. Aufl. § 2350 Rn 5). Die Unwirksamkeit des Erbverzichts hat das Berufungsgericht allerdings vorschnell mit § 2350 BGB begründet. Dieser enthält zwei Auslegungsregeln. § 2350 BGB kann danach erst zur Anwendung kommen, wenn erfolglos versucht wurde, den Willen der beiden Parteien des Verzichtsvertrags zu ermitteln (Staudinger/Schotten, aaO Rn 10, 25; Kuchinke in FS Kralik S. 452; MüKo-BGB/Strobel, 4. Aufl. § 2350 Rn 10). Dabei liegt die Beweislast beim Kläger, da dieser entgegen den Vermutungen des § 2350 BGB aus einem unbedingten Verzicht Rechte herleiten will (vgl. RG LZ 1926, 1006; Erman/Schlüter, BGB 11. Aufl. § 2350 Rn 6; Klingelhöffer, Pflichtteilsrecht 2. Aufl. Rn 360).
Vom Kläger hierzu angebotene Beweise hat das Berufungsgericht mit unzutreffender Begründung nicht erhoben. (...) Das Berufungsgericht wird deshalb den dazu angebotenen Beweisen nachzugehen haben.
Sollte eine Überzeugungsbildung danach nicht möglich sein, stünde auch nach der vom Berufungsgericht nachvollziehbar erwogenen Anwendung des § 2350 BGB noch nicht fest, dass dem Bruder ein Pflichtteilsanspruch zusteht. Vielmehr stellte sich dann im Rahmen des § 139 BGB, der auf den Verzicht als Rechtsgeschäft unter Lebenden Anwendung findet (Palandt/Edenhofer, BGB 66. Aufl. § 2346 Rn 2), die Frage, ob die Parteien des Verzichtsvertrags bei Unwirksamkeit eines Gesamtverzichts nicht zumindest einen isolierten Pflichtteilsverzicht (§ 2346 Abs. 2 BGB) gewollt hätten (vgl. BGHZ 146, 37, 47; 107, 351, 355 f; 105, 213, 220 f). Darüber eröffnete sich die Möglichkeit, einen unwirksamen Erbverzicht iSd § 2346 Abs. 1 als einen Pflichtteilsverzicht iSd § 2346 Abs. 2 BGB aufrecht zu erhalten. Dies hängt davon ab, welche Entscheidung die Parteien des Verzichtsvertrages bei Kenntnis der Sachlage nach Treu und Glauben und bei vernünftiger Abwägung getroffen hätten (BGH, Urteil vom 30. Januar 1997 – IX ZR 133/96 – WM 1997, 625 unter B III 2 c mwN). Beide Parteien haben hierzu bereits Beweis angetreten. Die Beweislast für die Tatsachen, aus denen sich ergibt, dass ein isolierter Pflichtteilsverzicht auch ohne den unwirksamen Erbverzicht vorgenommen worden wäre, liegt dabei beim Beklagten (vgl. Senatsurteil vom 6. November 1985 – IVa ZR 266/83 – NJW-RR 1986, 346 unter IV 3). In diesem Zusammenhang wird sich das Berufungsgericht auch – ggf. nach ergänzendem Parteivortrag – mit der Wirkung einer für den Pflichtteilsverzicht evtl. gezahlten Abfindung zu befassen haben (vgl. Kuchinke, aaO S. 453;...