Marion Albers (Hrsg.)
Nomos Verlagsgesellschaft Baden-Baden 2008,
251 Seiten, 49,– EUR
Mit dem Kollegen Rißmann habe ich eine Wette zu laufen. Das Schöne dabei ist, dass er gar nicht gewinnen kann: Er meint, ein wirksames Gesetz zur Regelung der Patientenverfügung wird es nicht geben. Ich glaube, das wird nur noch eine ganze Weile dauern. Nachdem nun auch der letzte Versuch im Jahr 2008 vom Bundestag ergebnislos abgebrochen wurde, liegen wir zurzeit noch gleichauf.
Diskutiert wird aber nicht nur im Bundestag, sondern auch unter unseren Mandanten und denen, die es werden wollen, sowie in vielen Kommissionen und in der Wissenschaft. Zwölf Professorinnen und Professoren sowie drei Kommissionsmitglieder haben die von Albers zusammengestellten Beiträge verfasst. Sie basieren auf einer fachübergreifenden Tagung zur gesetzlichen Regelung von Patientenverfügungen und wurden auf den Stand Juli 2008 aktualisiert.
Die Autoren sprechen eine Vielzahl von Aspekten an, wie beispielsweise: die Verfassungsmäßigkeit eines möglichen Gesetzes (Selbstbestimmung im Spannungsverhältnis zur Schutzpflicht des Staates), die "Reichweitenbegrenzung" (Wirksamkeit einer Patientenverfügung nur im Sterbeprozess oder auch bei Wachkoma und Demenz), die Fehleranfälligkeit von Vorausverfügungen (Problematik, eine konkrete Situation und sich selbst in einer späteren Lage vorherzusehen), die "Dammbruchgefahr" (Gefahr der Zustimmung zur Lebensverkürzung, weil es sich gegenüber den Angehörigen oder aus finanziellen Gründen "so gehört"), die Relevanz von Bevollmächtigten oder eines Konzils (Besprechung von Angehörigen, Ärzten, Pflegekräften etc.) sowie das Betreuungs- und Strafrecht.
Für den schnellen Einblick in das Thema enthält der Band zu viele, mitunter mühsam zu lesende und sich punktuell auch wiederholende Texte. Die komplexe Materie von verschiedenen Blickwinkeln beleuchtet zu erhalten macht aber auch den Reiz des Werkes aus. Der Leser erhält einen tiefen, ausgewogenen und lohnenden Einblick. Allerdings wird die Lektüre aus Zeitgründen wohl nur für die Spezialisten unter uns zu bewältigen sein.
Empfehlenswert sind die Beiträge von Albers mit einer umfassenden Einführung, von Wunder mit empirischen Daten, Überlegungen zum Konzil und einem Vergleich mit den USA, von Schuler-Harms zu verfassungsrechtlichen Fragen, von Hufen zum gleichen Thema, wenn auch mehr als Thesenpapier, von Bernat zu Formfragen, der Reichweitenbegrenzung und der Zurechnung auch unter verfassungsrechtlichen Aspekten, der dabei zeigt, dass schwierige, teilweise dogmatische Fragen auch mit klaren und gut zu lesenden Worten erörtert werden können, von Riedel zur Bedeutung der Gesetzesvorschläge für die Rolle von Bevollmächtigten und Betreuern, entsprechend und ausführlicher von Saliger, von Rixen, der darauf aufmerksam macht, nicht das "gelebte Recht" aus den Augen zu verlieren, in dem etwa Richter ärztlichen Stellungnahmen mitunter "blind" folgen, von Verrel mit einem sehr schönen Überblick und klaren Aussagen zu den wesentlichen Fragen und Problemen und von Schumann zu verschiedenen Aspekten mit deutlicher Darstellung der eigenen Ansicht und dem Appell, mit möglichen Maßnahmen schon jetzt zu beginnen, wie der Stärkung der Palliativmedizin, der Änderung der Abrechnungspraxis, nach der eine Versorgung mit einer PEG-Sonde mehr Profit als ohne erbringt, sowie mehr Einbindung und Unterstützung von pflegenden Angehörigen. Schließlich geht Duttge von strafrechtlichen Fragen aus, um deutlich auf offene Fragen und Unklarheiten bei der gesamten Problematik hinzuweisen, die grundsätzliche Zweifel an dem Gelingen des Projekts "Gesetz zur Regelung der Patientenverfügung" wecken.
Die Ausführungen ermöglichen einen tiefen Einblick und machen verständlich, weshalb eine gesetzliche Regelung der Patientenverfügung – und letztlich der vielen damit zusammenhängenden Fragen – so schwierig ist. – Wahrscheinlich wird also die Wette zwischen dem Kollegen Rißmann und mir noch eine Weile laufen.
Für Spezialisten.
5 ZErbs = sehr empfehlenswert
Dr. Dietmar Kurze, Rechtsanwalt, Berlin