Bereits ein kurzer Blick in den Katalog erbrechtlicher Folterwerkzeuge, mit denen Erblasser zum Ärgernis von Erben bzw. Erbprätendenten deren Freiräume beschneiden können, zeigt die Machtfülle des Erblassers bei der Gestaltung seines letzten Willens, die sich in dem ihm zur Verfügung stehenden Instrumentarium widerspiegelt. Dazu gehören insbesondere die Vor- und Nacherbfolge, §§ 2100 ff BGB, Testamentsvollstreckung, §§ 2197 ff BGB, Auseinandersetzungsregelungen, allgemeine Auflagen, Befristungen und Bedingungen, eingeschlossen das weite Feld der Potestativbedingungen, mit denen Erblasser das Verhalten von Bedachten steuern möchten, Einsetzung von Ersatzerben gemäß § 2096 BGB und schließlich die postmortale Vollmacht mit dem maßgeblichen Erblasserwillen bis zum Widerruf durch die Erben. Diese Machtfülle lässt sich über eine Instrumentenkombination fast nicht mehr überschaubar steigern und scheint zwangsläufig den Ruf nach – weiteren – Begrenzungen auszulösen. Über seine Berechtigung können die folgenden aus der Senatsrechtsprechung entwickelten Faustregeln Auskunft geben.
I. Instrumentelle Grenzen – Faustregel 1
Der Senat hat mit seinen beiden Grundsatzentscheidungen zum Behindertentestament BGHZ 111, 36 und 123, 368 Grenzen der Testierfreiheit unter drei ganz unterschiedlichen Gesichtspunkten ausgelotet. Im ersten Komplex hat er sich damit befasst, ob das Testament mit seinen verschiedenen Elementen aus befreiter Vor-, Nach- und Mitvollerbschaft, Einsetzung des Nacherben zum Testamentsvollstrecker und detaillierter Verwaltungsanordnung die Nachlasserträge der Behinderten unter Ausschluss des Zugriffs durch den Sozialhilfeträger zugute kommen zu lassen, infolge "innerer Widersprüche" – so die Diktion der damaligen Revision – nichtig sei. Nach eingehender Prüfung hat er die erbrechtliche Widerspruchsfreiheit festgestellt und zwar letztlich, weil der strengen Pflichten unterliegende Testamentsvollstrecker ohne willkürliche Befugnisse Ertrag und Substanz des Nachlasses zugunsten der behinderten Vorerbin zu verwalten bzw. einzusetzen hatte, sofern der Sozialhilfeträger außen vor bleibt.
Damit billigt der Senat ausdrücklich die gleichsam potenzierte Machtfülle des Erblassers durch Kombination ihm zur Verfügung stehender erbrechtlicher Gestaltungsinstrumente. Die Kombination ist für sich genommen unbedenklich, nur muss die vom Erbrecht ausgestaltete Rechtsstellung der Bedachten beachtet werden. Das lässt sich an folgendem vom Senat jüngst entschiedenem Fall verdeutlichen:
Der befreite Vorerbe wurde zugleich als Testamentsvollstrecker eingesetzt für die Ausübung sämtlicher Verwaltungs- und Verfügungsbefugnisse mit der Folge, dass der Nachlass dem Zugriff seiner privaten Gläubiger entzogen wäre (§ 2214 BGB). Diese Doppelstellung wäre – weil erbrechtlich ohne Sinn, dem Testamentsvollstrecker stünden seine Befugnisse bereits anderweitig über die Vorerbenstellung zu – unzulässig, wenn es an der für die Testamentsvollstreckung charakteristischen Beschränkung der Erbenrechte fehlte. Die beiden Rechtspositionen – Vorerbschaft und Testamentsvollstreckung – sind dann unvereinbar. Die Testierfreiheit vermag den – objektiven – Gestaltungsmissbrauch nicht mehr zu rechtfertigen. Werden indes mit einer solchen Gestaltungskombination legitime Zwecke im fremden Interesse unter Beschränkung von Erbenrechten verfolgt – wie im Fall eines bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres der Enkeltochter ausgesetzten Vermächtnisses –, behält die Kombinationsfreiheit die Oberhand.
Mit anderen Worten: Nicht eine übergeordnete Freiheit der Begünstigten schränkt insoweit die Testierfreiheit gestalterisch ein, sondern das Instrumentarium selbst kann im Einzelfall rechtlich überstrapaziert werden und deswegen etwas oder alles von seiner Wirkung gegebenenfalls einbüßen.
Diese instrumentelle Begrenzung ist als 1. Faustregel bei der Suche nach Grenzen der Gestaltungsfreiheit im Gedächtnis zu behalten.
II. Pflichtteilsrechtliche Grenzen – Faustregel 2
Dem Einwand aus § 138 Abs. 1 BGB, der mit befreiter Vorerbschaft bedachte behinderte Abkömmling selbst werde sittenwidrig benachteiligt, weil ihm nur Teile der Nachlasserträge gleichsam nach Gutsfrauenart der Testamentsvollstreckerin zukommen sollten, hält der Senat schlicht entgegen: Nur mit dieser erbrechtlichen Konstruktion habe der Tochter überhaupt etwas aus dem Nachlass zufließen können, von dem sie angesichts der bereits erbrachten Sozialhilfeleistungen sonst nichts bekommen hätte. Das sei sittlich verantwortlic...