Dieses frisch erworbene Hintergrundwissen ermöglichte es, den Entwurfsvorschlag für den Senat wie folgt anzukündigen:
"Der Fall ist eine absolute Rarität, von der jeder auch nur halbwegs passionierte Zivilrechtler an sich nicht einmal zu träumen wagen darf, dass er in seiner richterlichen Zeit so etwas zur Behandlung und Entscheidung angedient bekommt. "
Es geht um die schlichte Frage: Wie lange kann bei entsprechendem Erblasserwillen eine Dauervollstreckung (Verwaltungsvollstreckung im Gegensatz zur Abwicklungsvollstreckung) gemäß § 2209 BGB währen?
Oder anders ausgedrückt: Welche "rules against perpetuities" – wie Reimann formuliert – setzt insoweit das deutsche Erbrecht? Dieses Problem ist
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noch nie Gegenstand richterlicher Erkenntnis gewesen, |
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von der Lehre seit über 100 Jahren ganz unterschiedlich behandelt worden, |
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vom historischen Gesetzgeber offenbar nicht gesehen worden, |
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vom verfassungsrechtlichen Hintergrund unbeeinflusst und |
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mangels eines vergleichbaren Instituts der reinen Verwaltungsvollstreckung im römischen Recht völlig ohne und in den Partikularrechten fast ohne Vorbild. |
Und so stellt sich der Normenkonflikt dar: § 2210 BGB geht – isoliert betrachtet – von der Endlichkeit einer Dauervollstreckung aus. Der entsprechende Wille des historischen Gesetzgebers ist eindeutig und mannigfaltig belegbar. Alles andere – so die Hauptbegründung gewissermaßen als "Totschlagsargument" – würde "in grellem Widerspruch" zu den Zeitschranken bei Nacherbschaft und Nachvermächtnis stehen und den Erblasser in die Lage versetzen, ohne Beachtung landesgesetzlicher Erfordernisse eine "Stiftung oder einen deutsch-rechtlichen Familienfideikommiss ins Leben zu rufen".
Demgegenüber wird – wiederum isoliert betrachtet – über die vom historischen Gesetzgeber ebenso nachweisbar gewollten Befugnisse, Ersatz- und Nachfolgevollstrecker zu ernennen, in §§ 2197 Abs. 2, 2198 Abs. 1 Satz 2, 2199 Abs. 2 BGB tatsächlich die Möglichkeit einer unendlichen Testamentsvollstreckung eröffnet.
Nicht nachweisbar ist indes – nimmt man beide Regelungen zusammen in den Blick –, dass der historische Gesetzgeber diesen objektiv bestehenden Widerspruch überhaupt gesehen hat, geschweige denn, im Sinne einer ausnahmsweisen Durchbrechung der in § 2210 BGB festgelegten Endlichkeit einer Testamentsvollstreckung über die Nachfolgeregelungen wenigstens hinnehmen wollte. Für solche Überlegungen lassen sich keinerlei Anhaltspunkte in den Materialien entdecken. Dann kann aber der Nachfolgeregelung des § 2199 Abs. 2 BGB nicht einmal mittelbar oder inzident der Zweck unterschoben werden, die Zeitgrenze auch nur in Ausnahmefällen aufzuheben. Für ein solches § 2210 BGB einschränkendes Verständnis geben dann die klassischen Interpretationsregeln Gesetzgeberwille, Normzweck und Systematik nichts her. Das Endlichkeitsprinzip setzt sich uneingeschränkt durch.