Leitsatz
Ein Amtsträger, der bei der Bestätigung einer Unterschrift unter ein Testament den Anschein erweckt, er habe eine Prüfung vorgenommen und die Testamentserrichtung gehe in Ordnung, handelt pflichtwidrig, selbst wenn er zuvor darauf hingewiesen hat, dass er nicht befugt ist, ein Testament zu beurkunden.
OLG Karlsruhe, Urteil vom 7. Dezember 2010 – 12 U 102/10
Sachverhalt
Die Klägerin macht gegen die Beklagte Amtshaftungsansprüche geltend.
Die Klägerin und ihr inzwischen verstorbener Ehemann, Karl-Heinz L, waren Eigentümer einer Wohnung in der F-Straße 1, ... Diese war seit 1984 an Hartmut K vermietet. Karl-Heinz L setzte im Sommer 2006 handschriftlich den Text des Testaments ohne Datumszusätze sowie Beglaubigungsvermerk auf (Testament vom 4. bzw. 5.10.2006, Anlage K 3). Mit diesem Schriftstück gingen Herr L und Herr K am 4.10.2006 in das Rathaus von S zu Ortsvorsteher B. Nach einem eingangs geführten Gespräch las Ortsvorsteher B den Text des von Herrn L geschriebenen Testaments vor, woraufhin Herr K die Datumsangaben änderte. Nach der Unterzeichnung des Schriftstücks durch Herrn K brachte Ortsvorsteher B den Vermerk auf dem Testament auf, dass die Unterschrift vor ihm vollzogen worden sei, steckte das Schriftstück in einen Briefumschlag, den er verschloss und über den Klebefalz zweimal das Dienstsiegel siegelte.
2008 wurde Hartmut K tot in seiner Wohnung aufgefunden. Am 28.3.2008 stellte das Nachlassgericht die Nichtigkeit des Testaments fest und ordnete Nachlasspflegschaft an (Beschluss des Notariats B vom 28.3.2008, Anlage K 5). Ausweislich des vorläufigen Nachlassverzeichnisses vom 15.7.2008 belief sich die Höhe des Nachlasses am 15.7.2008 auf 140.957,73 EUR (Anlage K 6) sowie am 13.3.2009 auf 119.185,18 EUR (vorläufiges Nachlassverzeichnis vom 13.3.2009, Anlage K 12).
Die Klägerin hat vorgetragen, Ortsvorsteher B habe bei ihrem verstorbenen Ehemann und Herrn K durch die Vornahme der Unterschriftsbestätigung auf dem Testament sowie durch die Abgabe von weiteren Erklärungen hinsichtlich Änderungsmöglichkeit und Widerrufsmöglichkeit des Testaments sowie der Anbringung des Amtssiegels auf dem Umschlag des Testaments den Eindruck hervorgerufen, Herr K hätte bei ihm ein rechtswirksames Testament errichtet. Schließlich habe er auch den zugrunde liegenden Sachverhalt nicht vollständig ermittelt und dennoch den Eindruck erweckt, dass Herr K ein wirksames Testament durch bloße beglaubigte Unterschrift errichten könne. Nachdem dieses nichtig sei, sei der Klägerin ein Schaden durch Verlust ihres Erbrechts in Höhe des Nachlasses entstanden. Ein weiterer Schaden sei ihr durch die Bezahlung von Rechtsanwaltskosten im Rahmen der außergerichtlichen Geltendmachung ihrer Ansprüche entstanden.
Aus den Gründen
Die Berufung der Beklagten ist zulässig. In der Sache Erfolg hat sie keinen Erfolg. Der Senat folgt nach Überprüfung den zutreffenden Ausführungen des Landgerichts. Danach kann die Klägerin Schadensersatz gemäß § 839 Abs. 1 BGB, Art. 34 GG in Höhe von 76.781,39 EUR beanspruchen. Denn der Ortsvorsteher der Beklagten hat bei der Bestätigung der Echtheit der Unterschrift unter das Testament des Erblassers vom 4.10.2006 eine drittbezogene Amtspflicht schuldhaft verletzt.
1. Nach dem unstreitigen Sachverhalt sind die Klägerin und ihr verstorbener Ehemann mit dem Testament vom 4.10.2006 als "alleinige Erben" und damit zu gleichen Teilen eingesetzt worden (§ 2901 BGB). Ansprüche des Ehemanns wurden an die Klägerin abgetreten. Hiergegen erinnert die Beklagte mit der Berufung weiter nichts.
2. Der Senat folgt dem rechtlichen Ansatz des Landgerichts, wonach Ortsvorsteher B unter Zugrundelegung des Vorbringens der Klägerin und des Ergebnises der Beweisaufnahme eine Amtspflichtverletzung begangen hat, die die Beklagte zum Schadensersatz verpflichtet (Art. 34 GG, § 839 Abs. 1 BGB). Ortsvorsteher B hat bei der Bestätigung der Echtheit der Unterschrift am 4.10.2006 nämlich nicht nur die Echtheit der Unterschrift des Erblassers unter dem Testament bestätigt, sondern der Zeuge B hat – wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat – weitere, umfassende Tätigkeiten entwickelt und hierbei seine Amtspflichten verletzt, indem er durch missverständliches Verhalten bei dem Erblasser und dem Ehemann der Klägerin eine falsche Vorstellung über die Rechtswirksamkeit des Testaments vom 4.10.2006 erweckt hat.
a) Eine Amtspflichtverletzung kann zwar nicht schon darin gesehen werden, dass der Zeuge B in seiner Funktion als Ortsvorsteher um Rat oder Auskunft zur formwirksamen Errichtung des Testaments aufgesucht worden ist und hierbei seiner ihm obliegenden Verpflichtung zur Erteilung richtiger, vollständiger und unmissverständlicher Auskünfte nicht nachgekommen ist.
Die Klägerin hat nämlich nicht beweisen können, dass der Zeuge B in seiner Funktion als Ortsvorsteher zur Errichtung des Testaments aufgesucht worden ist. Nach den Bekundungen des Zeugen B, die in sich schlüssig und glaubhaft sind, was auch von der Klägerin nicht angezweifelt wird, wurde dieser vom Ehemann der Klägerin dara...