Tagungsbericht zum 36. Berliner Steuergespräch
Zusammenfassung
Seit Jahrzehnten beschäftigt das Thema einer auskömmlichen Kommunalfinanzierung Politik, Gemeinden, Wirtschaft und Steuerwissenschaft gleichermaßen. Der zunehmende politische Handlungsbedarf legt eine erneute Auseinandersetzung mit den steuerlichen Rahmenbedingungen der kommunalen Finanzausstattung nahe. Dabei kann die Diskussion auf die bekannten Vorschläge zurückgreifen, die auch im Fokus der aktuellen Reformkommission stehen. Auf der einen Seite ist dies der Ausbau der derzeitigen Gewerbesteuer durch umfangreiche ertragsunabhängige Elemente. Auf der anderen Seite steht die Perspektive, die Gewerbesteuer durch kommunale Zuschläge zur Körperschaft- und Einkommensteuer sowie durch verstetigende Elemente wie einen erhöhten Anteil der Gemeinden an der Umsatzsteuer und/oder der Lohnsteuer zu ersetzen. Das 36. Berliner Steuergespräch – moderiert von Herrn Prof. Dr. Claus Lambrecht – bot ein Forum zum Austausch zwischen Steuerwissenschaft, Steuerpraxis und -politik, an dem neben den beiden Referenten Herrn Prof. Dr. Paul Kirchhof und Herrn Prof. Dr. Andreas Oestreicher auch Frau Monika Kuban, Herr Georg Fahrenschon sowie Herr Bernd Jonas mitwirkten.
A. Vorträge
1. Substitution der Gewerbesteuer
Nach Prof. Dr. Kirchhof ist das Grundproblem der Gewerbesteuer die Verschiebung von ihrer ursprünglichen Ausgestaltung als Äquivalenzsteuer hin zur Ertragsteuer. Die Gewerbesteuer berücksichtige aufgrund dieser Entwicklung nicht das steuerliche Grundprinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit, wenn sich ihre Bemessungsgrundlage zwar auf objektiviertes Einkommen beziehe, aber ausschließlich eine Einkunftsart, nämlich die der Gewerbetreibenden, erfasse. Prof. Dr. Kirchhof forderte, dass jeder in der Gemeinde erwirtschaftete Euro unabhängig von der Einkunftsart steuerlich Berücksichtigung finden müsse. Zur Erreichung dieser Belastungsgleichheit müsse die Gewerbesteuer umfassend reformiert werden; hierfür sei die Einführung einer kommunalen Zuschlagsteuer zu einer bereinigten Einkommensteuer erforderlich. Eine solche Reform sei jedoch nicht isoliert für die Gewerbesteuer möglich, sondern lediglich Anlass für eine umfassende Novellierung des gesamten Steuersystems.
2. Selbstverantwortung der Gemeinden stärken
Prof. Dr. Oestreicher analysierte die derzeit von der Arbeitsgruppe Kommunalsteuern erörterten Reformmodelle zur Zukunft der Gewerbesteuer. Diskutiert würden derzeit das Prüfmodell, das Kommunalmodell und das modifizierte Stiftungsmodell.
Nach dem Prüfmodell solle die Gewerbesteuer einschließlich der Gewerbesteuerumlage und der Anrechnungsmöglichkeit der Gewerbesteuer auf die Einkommensteuer abgeschafft und den Gemeinden hierfür als Surrogat ein mit Hebesatzrecht ausgestatteter Zuschlag zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer zugesprochen werden. Außerdem sollen die Gemeinden stärker an den Erlösen aus der Umsatzsteuer beteiligt werden. Das von den kommunalen Spitzenverbänden vorgelegte Kommunalmodell sehe die Stärkung der Gewerbesteuer durch eine Ausweitung der gewerbesteuerlichen Hinzurechnungen vor. Hierzu solle die Gewerbesteuer auf die Einkünfte aus selbstständiger Arbeit ausgedehnt und die steuerliche Bemessungsgrundlage verbreitert werden. Das modifizierte Sitftungsmodell fordere hingegen die Abschaffung der Gewerbesteuer zugunsten der Einführung einer kommunalen Unternehmens- und Wirtschaftsteuer mit Hebesatzrecht auf die Gewinne im Sinne der Einkommen- und Körperschaftsteuer. Gleichzeitig sei die Einführung einer Bürgersteuer und eine Beteiligung der Betriebsstättengemeinden am örtlichen Lohnsteueraufkommen vorgesehen.
Prof. Dr. Oestreicher analysierte die Reformmodelle anhand von Anforderungskriterien, die von einer kommunalen Steuerfinanzierung erfüllt werden sollten (bedarfsgerechte Erzielung von Einnahmen/Sicherung der kommunalen Selbstverwaltung/ Fiskalische Äquivalenz/Wahrung gleichwertiger Lebensverhältnisse). Seiner Ansicht nach erfüllt das modifizierte Modell die genannten Anforderungskriterien insgesamt am besten. Es zeichne sich durch einnahmestabilisierende Elemente aus, stärke das Äquivalenzprinzip und habe eine geringe Streuung des interkommunalen Aufkommens zur Folge. Unabhängig vom bevorzugten Modell habe die Neuordnung der Gemeindefinanzierung den Grundsatz der kommunalen Selbstverantwortung und länderübergreifend die internationale Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands zu berücksichtigen und zu stärken.
B. Podiumsdiskussion
I. Verlässliche Rahmenbedingungen für solide Kommunalfinanzen schaffen
Fahrenschon stellte fest, da...