1. Zweck
Ist ein Erbscheinsantrag gestellt, hat das Nachlassgericht von Amts wegen zu ermitteln, ob die erbrechtlichen Verhältnisse die Erteilung des begehrten Erbscheins gestatten, ob also z.B. der Antragsteller tatsächlich Alleinerbe oder nur Miterbe ist; den Tod von Geschwistern usw. muss der Antragsteller in der Regel durch öffentliche Urkunden, z.B. Sterbeurkunden, nachweisen (§ 352 Abs. 3 FamFG). Das ist oft schwierig, weil unser Meldesystem dürftig ist. Hier kann § 352d FamFG (früher: § 2358 Abs. 2 BGB) helfen: "Zur Anmeldung der anderen Personen zustehenden Erbrechte" kann das Nachlassgericht eine öffentliche Aufforderung erlassen, d.h. die unbekannten Miterben durch eine Mitteilung im elektronischen Bundesanzeiger und gegebenenfalls in Zeitungen unter Fristsetzung auffordern, sich zu melden. Das gilt nicht, wenn alle Miterben unbekannt sind. Es handelt sich um eine Art Ermittlungsbehelf. Unter welchen Voraussetzungen das Nachlassgericht von seinem Ermessen Gebrauch machen darf, ist in § 352d FamFG nicht angeben.
2. Beispiel
Ein Beispiel soll dies veranschaulichen:
Sohn A beantragt nach dem Tod seines verwitweten Vaters einen Alleinerbschein, obwohl ungewiss ist, ob sein Bruder B (der seit vielen Jahren unbekannt verzogen ist) gegebenenfalls Miterbe zu ½ wäre. Drei Lösungen sind denkbar:
(1) Sind einzelne Erben bekannt (hier: A) und beantragen sie einen Erbschein, kann ihnen auf Antrag ein Teil-Erbschein erteilt werden (§ 2353 BGB); für die anderen (unbekannten) Erben (hier: B) könnte nach § 1960 BGB vom Nachlassgericht von Amts wegen ein Teil – Nachlasspfleger zwecks Teil-Verwaltung und Erbensuche bestellt werden, obwohl das Sicherungsbedürfnis zweifelhaft ist; denn es genügt, "wenn der Erbe unbekannt ist und dieser ohne Ermittlung durch das Nachlassgericht bzw. durch einen Nachlasspfleger niemals Kenntnis vom Anfall der Erbschaft erhalten würde". Mit diesem Teil-Pfleger könnte A die Erbauseinandersetzung durchführen.
Falls A die Bestellung eines Nachlasspflegers nach § 1961 BGB beantragt, wird sein Antrag oftmals abgelehnt werden, da § 1961 BGB Ansprüche "gegen den Nachlass" schütze, der Auseinandersetzungsanspruch (§ 2042 BGB) sich aber "gegen den Miterben" richte. Wenn die Erbenermittlung des Nachlasspflegers N erfolglos ist, hinterlegt N den hälftigen Erbanteil des B beim Amtsgericht (Hinterlegungsstelle); nach Ablauf der Hinterlegungsfrist behält der Staat das Geld, also die Hälfte des Nachlasses (außer, A wurde zuvor noch als Erbe der restlichen Hälfte festgestellt, etwa weil B nach dem VerschG für tot erklärt wurde).
(2) A kann ein Todeserklärungsverfahren hinsichtlich seines Bruders B beantragen. Ein rechtliches Interesse ist dafür erforderlich (§ 16 Abs. 2c VerschG). Ist der Antrag zulässig, wird ein Aufgebot erlassen und im eBAnz veröffentlicht; dort sind unter "Todeserklärung" (Amtsgerichtsaktenzeichen UR II) überraschend viele Todeserklärungen veröffentlicht. Nach rechtskräftiger Todeserklärung des B (ein langwieriges Verfahren) erhält A einen Allein-Erbschein.
(3) Wird dagegen nach § 352d FamFG vorgegangen, erhält A ohne Weiteres den begehrten Alleinerbschein und damit den ganzen Nachlass.
3. Voraussetzungen des Aufgebots nach § 352d FamFG
Ein Erbscheinsantrag ist Voraussetzung des Erbenaufgebots. Der Antragsteller kann das Erbenaufgebot anregen; ein Antrag ist nicht erforderlich. Es liegt im pflichtgemäßen Ermessen des Nachlassgerichts, ob es eine öffentliche Aufforderung nach § 352d FamFG erlässt. Der Erlass der Aufforderung kann nicht von der Zahlung eines Auslagenvorschusses für die Veröffentlichungskosten abhängig gemacht werden.
Die Ablehnung ist seit Schaffung des FamFG unanfechtbar, da sie nur eine Zwischenentscheidung des Amtsermittlungsverfahrens ist, § 58 Abs. 1 FamFG. Unter Geltung des FGG war die Ablehnung anfechtbar; Folge ist, dass es jetzt keine OLG-Entscheidungen mehr darüber gibt. Die Ablehnung erfolgt ohnehin nicht durch gesonderten Beschluss, sondern indem das Verfahren ohne Aufgebot fortgeführt wird. Erst die Ablehnung des begehrten Erbscheins kann angefochten werden.
Ob § 352d FamFG "großzügig" oder "eng" auszulegen ist, ist umstritten. Letzteres trifft zu. Das Erbenaufgebot kann nur das letzte Mittel in einer Situation sein, in der die Beibringung urkundlicher Nachweise dem Antragsteller unverhältnismäßige Schwierigkeiten bereiten würde. Das ist selten der Fall, weil ein Todeserklärungsverfahren im Regelfall zumutbar und für solche Fälle auch gedacht ist. Ein Verfahren nach § 352d FamFG kann allenfalls in Frage kommen, wenn für die als Miterben in Betracht kommende Person ein Todeserklärungsverfahren wegen fehlender Daten (z.B. Geburtsdaten, genauer Name) praktisch nicht durchführbar ist. Ist der Nachlass nicht nur geringfügig, muss in de...