Der historische Gesetzgeber hat bei Schaffung des Rechts der Erbenhaftung schon seine Genialität ausspielen lassen, betrachtet man die sehr differenzierte Ausgestaltung für unterschiedliche Konstellationen und das System der Trennung zwischen dem Erkenntnis- und Vollstreckungsverfahren. An dieser "Schnittstelle" steht der Ausspruch des Vorbehaltes der beschränkten Erbenhaftung nach § 780 Abs. 1 ZPO im Tenor. Damit der erbende Schuldner später in den Schutzbereich der Erbenhaftung gelangen kann, also damit er nicht mit seinem Privatvermögen haftet, muss er sich im Erkenntnisverfahren (zumindest konkludent) auf den Erbenvorbehalt berufen. Hat er dies in I. Instanz vergessen, kann er allein deswegen Berufung einlegen. Denn der Erbenvorbehalt kann auch noch in der Berufungsinstanz begehrt werden (vgl. § 531 Abs. 2 ZPO, BGH v. 2.2.2010 – VI ZR 82/09, ZEV 2010, 314).
Fehlt im Tenor bei der Verurteilung zur Zahlung der Erbenvorbehalt, so kann sich der Schuldner schließlich im Vollstreckungsverfahren nicht auf die Einreden der Dürftigkeit, der Nachlassverwaltung, der Nachlassinsolvenz oder der ungeteilten Erbengemeinschaft berufen. Der Erbe haftet dann mit seinem Privatvermögen. Für den Anwalt des Beklagten bedeutet das zwangsläufig, dass er stets die Aufnahme des Erbenvorbehaltes nach § 780 Abs. 1 ZPO beantragen sollte, wenn in Betracht kommt, dass die in Rede stehende Verbindlichkeit eine Nachlassverbindlichkeit sein könnte. Es stellt eine Pflichtverletzung des Rechtsanwaltes dar, wenn er den Vorbehalt nicht per Urteil erwirkt hat (BGH, Urt. v. 2.7.1992 – IX ZR 256/91, NJW 1992, 2694; OLG Koblenz v. 7.11.2018 – 13 U 402/16, NJOZ 2019, 853, 855).
Übrigens: Beruft sich der Beklagte im Erkenntnisverfahren auf den Erbenvorbehalt und erhebt er Einreden wie die der Dürftigkeit, steht es im Ermessen des Prozessgerichtes, ob dieses den bloßen Erbenvorbehalt im Urteil aufnimmt oder schon die Frage der geltend gemachten Haftungsbeschränkung sachlich aufklärt und darüber (teilweise) entscheidet (hierzu: Erman/Horn, 15. Auflage 2020, vor § 1975 BGB Rn 18 f.).
In der hier zu besprechenden Konstellation hatte der Gläubiger bereits in I. Instanz die Aufnahme des Erbenvorbehaltes nach § 780 Abs. 1 ZPO beantragt, der daraufhin auch im Urteil aufgenommen wurde. Das war hier nicht das "Problem". Vielmehr war streitig, ob der Erbenvorbehalt ohne rechtliche Grundlage aufgenommen war. Die Berufung des Klägers, die darauf abzielte, dass der Erbenvorbehalt aus dem Tenor entfernt wird, hat das OLG Hamm als unzulässig verworfen (Urt. v. 2.8.2018 – I-2 U 178/17). Die Aufnahme der Haftungsbeschränkung begründe keine formelle Beschwer. Dies sah der BGH zurecht anders und verwies die Sache an das OLG Hamm zurück.
Dem BGH ist in diesem Urteil zuzustimmen, dass ein Kläger durch den Ausspruch der Erbenhaftung im Tenor beschwert ist. Voraussetzung der Aufnahme ist schließlich die Feststellung, dass es sich bei dem in Rede stehenden Anspruch um eine reine Nachlassverbindlichkeit nach § 1967 BGB handelt. Die Beschwer für den Gläubiger ergibt sich daraus, dass für das Zwangsvollstreckungsverfahren schon die Einstufung als Nachlassverbindlichkeit feststehe. So ist dann der Rückgriff auf das Privatvermögen des Schuldners auch bei einer tatsächlich nicht reinen Nachlassverbindlichkeit verbaut, wenn der Nachlass nicht werthaltig ist. Das OLG Hamm hat sich nunmehr mit der Frage zu beschäftigen, welche Art von Verbindlichkeit der streitgegenständliche Anspruch darstellt.
Dr. Claus-Henrik Horn, RA/Fachanwalt für Erbrecht, Düsseldorf
ZErb 2/2021, S. 60 - 66