Leitsatz
1. Durch den zugunsten des Beklagten erfolgten Ausspruch des Vorbehalts der beschränkten Erbenhaftung nach § 780 Abs. 1 ZPO ist der Kläger regelmäßig beschwert (Abgrenzung zu BGH, Urt. v. 13.7.1989 – IX ZR 227/87, NJW-RR 1989, 1226 unter II 2).
2. Denn ein solcher Vorbehalt ist zugleich mit der Feststellung verbunden, dass das Gericht vom Vorliegen einer reinen Nachlassverbindlichkeit (§ 1967 BGB) ausgeht, wodurch im Falle der Rechtskraft des den Vorbehalt aussprechenden Urteils das nachfolgende Gericht bei Erhebung einer – auf diesen Vorbehalt gestützten – Vollstreckungsabwehrklage des Beklagten an diese Beurteilung gebunden (sogenannte Präjudizialität) und der Kläger mit (erneuten) Einwänden gegen die Einordnung der Schuld als reine Nachlassverbindlichkeit ausgeschlossen (sogenannte Tatsachenpräklusion) wäre.
BGH, Urt. v. 21.10.2020 – VIII ZR 261/18
1 Tatbestand
I.
Die Klägerin ist ein regionales Energie- und Wasserversorgungsunternehmen. Sie nimmt den Beklagten wegen der Lieferung von Gas, Strom und Wasser für die Verbrauchsstelle H.-B. -Straße in I. in Anspruch.
Eigentümer dieses Anwesens war der Vater des Beklagten. Dieser verstarb am 18.4.2008 und wurde vom Beklagten und seinen zwei Brüdern zu jeweils einem Drittel beerbt.
Im Dezember 2010 unterzeichnete ein Bruder des Beklagten (A.S.) eine sogenannte Anmeldekarte der Klägerin zum Bezug von Strom, Gas und Wasser für die oben genannte Verbrauchsstelle. In der Rubrik "Mieter/Eigentümer" trug er "Erbengemeinschaft K.S., zu Händen A.S. " ein.""
Den Antrag der Erben auf Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens wies das Amtsgericht Hagen durch Beschl. v. 14.1.2011 mangels Masse ab. Das Grundstück, auf welchem sich die Verbrauchsstelle befindet, wurde zwangsversteigert und nach Zuschlag von dem neuen Eigentümer im November 2013 bei der Klägerin zur Versorgung angemeldet.
Die Klägerin macht die Vergütung für die Energie- und Wasserlieferungen im Zeitraum 2011 bis November 2013 geltend. Ihre auf Zahlung von 12.975,29 EUR nebst Zinsen gerichtete Klage hat vor dem Landgericht Erfolg gehabt. Es hat dem Beklagten, der die Dürftigkeitseinrede (§ 1990 Abs. 1 BGB) sowie die Verschweigungseinrede (§ 1974 Abs. 1 BGB) erhoben hat, die Geltendmachung der beschränkten Haftung auf den Nachlass vorbehalten (§ 780 Abs. 1 ZPO).
Hiergegen haben beide Parteien Berufung eingelegt. Der Beklagte hat seine Berufung zurückgenommen; die Berufung der Klägerin, mit welcher diese eine Verurteilung ohne Vorbehalt anstrebte, wurde als unzulässig verworfen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin dieses Begehren weiter.
2 Gründe
II.
Die Revision hat Erfolg.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung – soweit für das Revisionsverfahren von Interesse – im Wesentlichen ausgeführt:
Die Berufung der Klägerin sei mangels Beschwer unzulässig. Die Aufnahme des Vorbehalts der beschränkten Erbenhaftung nach § 780 Abs. 1 ZPO, deren Beseitigung alleiniges Ziel der Berufung der Klägerin sei, begründe für sie keine formelle Beschwer.
Der Vorbehalt führe nicht dazu, dass der Klägerin weniger zugesprochen worden sei, als sie beantragt habe. Über die Frage, ob der Beklagte seine Haftung tatsächlich auf den Nachlass beschränken könne, habe das Landgericht ausdrücklich nicht entschieden, so dass der Beklagte die Haftungsbeschränkung im Wege der Vollstreckungsabwehrklage (§§ 785, 767 Abs. 1 ZPO) geltend machen müsse. Ein im Übrigen – wie hier – obsiegender Kläger werde aber nicht dadurch beschwert, dass sein Prozessgegner mit seinen Einwendungen auf einen späteren Rechtsstreit verwiesen werde.
Eine Beschwer liege auch nicht darin, dass das Landgericht in den streitgegenständlichen Forderungen aus den Energie- und Wasserlieferungen – entgegen der Ansicht der Klägerin – eine reine Nachlassverbindlichkeit gesehen habe. Hierdurch wäre die Klägerin nur dann beschwert, wenn diese Feststellungen eine Bindungswirkung für die sachliche Klärung des Haftungsumfangs des Beklagten im Vollstreckungsabwehrklageverfahren entfalten würden. Dem sei jedoch nicht so. Eine solche Bindung folge weder aus § 318 ZPO noch aus § 322 Abs. 1 ZPO. Die materielle Rechtskraft des angefochtenen Urteils erfasse nicht die Ausführungen des Landgerichts zur Einordnung des Zahlungsanspruchs als (reine) Nachlassverbindlichkeit. Begnüge sich das Gericht – wie vorliegend – in zulässiger Weise mit dem bloßen Ausspruch des Vorbehalts, komme es im Erkenntnisverfahren auf das Vorliegen der materiell-rechtlichen Voraussetzungen der Haftungsbeschränkung nicht an, so dass die diesbezüglichen Ausführungen nicht tragend seien.
Eine Beschwer der Klägerin liege auch nicht darin, dass das Landgericht die seitens des Beklagten erhobenen Einreden der Dürftigkeit (§ 1990 Abs. 1 BGB) und des Verschweigens (§ 1974 Abs. 1 BGB) nicht geprüft habe. Denn es stehe im Ermessen des Gerichts, ob es die Frage des Haftungsumfangs im Erkenntnisverfahren sachlich aufkläre und darüber entscheide oder ob es sich – wie hier – mit dem Ausspruch des Vorbehalts begnüge ...