Einer erneuten Erbenfeststellungsklage des wirklichen Erben mit umgekehrtem Rubrum steht das ergangene und sowohl formell als auch materiell rechtskräftige Erbenfeststellungsurteil entgegen. Mit dem Erbenfeststellungsurteil wurde das Erbrecht des klagenden Erbprätendenten nach § 325 ZPO verbindlich festgestellt. Diese der Erbeneinsetzung gemäß dem aufgefundenen Testament widersprechende Erbenfeststellung durch das Zivilgericht hat aufgrund der materiellen Rechtskraft des Erbenfeststellungsurteils auch angesichts der falschen Erbenfeststellung Bestand. Nach der ne bis in idem-Lehre darf über denselben Streitgegenstand nicht noch einmal verhandelt und entschieden werden.[1]

Eine erneute Erbenfeststellungklage des wirklichen Erben kann dieser aufgrund der zwischen den Prozessparteien eingetretenen subjektiven Rechtskraftwirkung auch nicht auf Tatsachen oder Beweismittel stützen, die von den Prozessparteien nicht vorgetragen bzw. angeboten worden sind.[2] Die tatsächlichen Feststellungen in einem Urteil erwachsen zwar nicht in Rechtskraft. Mit der Rechtskraftwirkung verbunden ist allerdings eine Präklusion auch der im ersten Prozess nicht vorgetragenen Tatsachen, die nicht erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung im ersten Prozess entstanden sind.[3] Das bereits im ersten Erbenfeststellungsprozess objektiv vorhandene Testament gehört zum Lebenssachverhalt des bereits beendeten Rechtsstreits. Eine erneute Erbenfeststellungsklage kann der wahre Erbe somit nicht auf das erst nachträglich aufgefundene Testament stützen.

Die materielle Rechtskraft und die damit verbundene Präklusion des bereits im ersten Erbenfeststellungsprozess vorhandenen Testaments, mittels dessen eine Einsetzung des wirklichen Erben und erstinstanzlich Beklagten erfolgte, führt zu einer negativen Prozessvoraussetzung. Das von dem wirklichen Erben erneut angerufene Zivilgericht hätte von Amts wegen zu prüfen, ob über den Streitgegenstand bereits eine Entscheidung ergangen ist. Da dies der Fall ist, wäre eine auf das nachträglich aufgefundene Testament gestützte Erbenfeststellungsklage des wirklichen Erben von Amts wegen durch Prozessurteil als unzulässig abzuweisen.[4] Dies gilt auch in dem vorliegenden Fall eines erneuten Erbenfeststellungsprozesses mit umgekehrten Rubrum, in dem der wahre Erben das kontradiktorische Gegenteil der ersten Erbenfeststellungsklage geltend machen würde.[5]

[1] Zur materiellen Rechtskraft und deren Umfang sowie Literaturhinweisen vgl. Müller, ZErb 2023, 9 (Teil I, 2. Erbenfeststellungsprozess).
[2] Gottwald, in: MüKo zur ZPO, 6. Aufl., 2020, § 322 Rn 142.
[3] BGH, Urt. v. 7.7.1993 – VIII ZR 103/92, NJW 1993, 2684, 2685.
[4] Saenger, in: Saenger, Zivilprozessordnung, 9. Aufl., 2021, § 322 Rn 12.
[5] BGH, Urt. v. 7.7.1993 – VIII ZR 103/92, NJW 1993, 2684, 2685.

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