Mit der einstweiligen Anordnung nach § 49 Abs. 2 S. 1 FamFG ist eine vom Bestehen einer Hauptsache unabhängige Rechtsschutzmöglichkeit gegeben, mit der als vorläufige Sicherungsmaßnahme die einstweilige Rückgabe des erteilten Erbscheins zu den Akten des Nachlassgerichts angeordnet werden kann. § 49 FamFG stellt die Grundsatznorm des einstweiligen Rechtsschutzes für Familiensachen und Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit dar und ist auf Nachlasssachen anwendbar.
Da der Erbschein lediglich zu den Akten zurückgegeben wird, liegt keine förmliche Einziehung nach § 2361 BGB vor, womit auch keine Vorwegnahme der Hauptsache erfolgt. Zu beachten ist hierbei, dass ein Verlust der Publizitäts- und Gutglaubenswirkungen der §§ 2365 ff. BGB mit der Anordnung einer einstweiligen Rückgabe des Erbscheins nicht verbunden ist. Der öffentliche Glaube des Erbscheins ist unabhängig von dessen Besitz. Der Erbscheinserbe kann lediglich den Erbschein zum Nachweis seiner Erbenstellung gutgläubigen Dritten nicht mehr vorlegen. Der gute Glaube wird auch nicht durch das Wissen, dass durch eine einstweilige Anordnung nach § 49 FamFG die vorläufige Rückgabe des Erbscheins zur Verwahrung erfolgt ist, zerstört. Der Erbscheinserbe kann demzufolge eine zum Nachlass gehörende bewegliche Sache gem. §§ 929 ff. i.V.m. § 2366 BGB wirksam übereignen. Eine Umschreibung von im Nachlass befindlichen Grundbesitz ist dagegen ohne Vorlage des einen Erben legitimierenden Erbschein angesichts § 35 Abs. 1 S. 1 GBO, wonach zum Nachweis der Erbfolge ein Erbschein vorzulegen ist, nicht möglich.
Zuständig für den Erlass einer einstweiligen Anordnung auf Rückgabe des Erbscheins ist das Nachlassgericht, dass auch für die Hauptsache, d.h. für die Einziehung des Erbscheins, zuständig wäre (§ 50 Abs. 1 FamFG).
Mit § 49 Abs. 2 FamFG sollen grundsätzlich dieselben Maßnahmen ermöglicht werden wie mittels §§ 935, 940 ZPO. Es handelt sich um ein summarisches und beschleunigtes Verfahren mit im Vergleich zum Hauptsacheverfahren auf Einziehung des Erbscheins geminderten Beweis- und Ermittlungsanforderungen. Die Anforderungen an die Aufklärung der tatsächlichen Umstände richtet sich nach der Dringlichkeit des Regelungsbedürfnisses und nach der Schwere des mit der einstweiligen Anordnung verbundenen Eingriffs. Welches Maß der Gewissheit das Nachlassgericht für eine einstweilige Anordnung für erforderlich hält, obliegt dem Nachlassgericht selbst.
Im vorliegenden Fall der einstweiligen Rückgabe des erteilten Erbscheins zu den Akten besteht angesichts des nachträglich aufgefundenen Testaments und im Fall einer fristgemäß erhobenen Restitutionsklage des wirklichen Erben eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für die Unrichtigkeit des Erbscheins sowie aufgrund einer vom wirklichen Erben fristgemäß erhobenen Restitutionsklage auch für eine Durchbrechung der Rechtskraftwirkung der Erbenfeststellung im Ausgangsverfahren. Damit liegt ein Anordnungsanspruch vor.
Aufgrund des öffentlichen Glaubens des Erbscheins nach §§ 2366 ff. BGB und der Möglichkeit wirksamer Verfügungen über im Nachlass befindlicher Grundstücke ist zum Schutz der Rechte des wirklichen Erben auch ein Anordnungsgrund gegeben.
Eine einstweilige Anordnung gem. § 49 FamFG bedarf seitens des wirklichen Erben keines Antrags, da auch das Hauptsacheverfahren auf Einziehung des erteilten Erbscheins ein Amtsverfahren ist. Dennoch ist es seitens des wirklichen Erben angezeigt, eine Anordnung auf Rückgabe des erteilten Erbscheins zu den Akten anzuregen und entsprechend einem Antragsverfahren umfassend vorzutragen und den Vortrag entsprechend glaubhaft zu machen.
Die einstweilige Anordnung nach § 49 Abs. 2 S. 1 FamFG stellt für den wirklichen Erben eine Rechtsschutzmöglichkeit dar, die aufgrund der angeordneten einstweiligen Rückgabe des Erbscheins dazu führt, dass der erteilte Erbschein zumindest vorläufig aus dem Verkehr gezogen wird.