Es gibt viele Fragen, an die der Berater in der Situation der Testamentsgestaltung bei der Sachverhaltsaufklärung denken muss. Die Frage nach den vorehelich gezeugten Kindern ist ebenso zu nennen wie die Frage nach dem möglicherweise noch bestehenden Immobiliendarlehen, welches mancher Mandant in der Erwartung unerwähnt lässt, dass es ja bei seinem späteren Versterben längst zurückgezahlt sein wird.
Während viele dieser Fragen sicher bei jedem Berater auf der – zumindest gedanklichen – Checkliste stehen, stehen andere Fragen der Sachverhaltsaufklärung etwas im Hintergrund. An die aktive Aufklärung eines bestimmten Sachverhaltsdetails will der Zerberus heute erinnern:
Nach § 20 Abs. 6 ErbStG haften Personen, in deren Gewahrsam sich Vermögen des Erblassers befindet, für die Erbschaftsteuer, soweit sie das Vermögen vorsätzlich oder fahrlässig vor Entrichtung oder Sicherstellung der Steuer im Ausland wohnhaften Berechtigten zur Verfügung stellen. Der Haftungstatbestand soll verhindern, dass ein zunächst (im Inland) realisierbarer Steueranspruch vereitelt wird. Die Garantenstellung verpflichtet den Gewahrsamsinhaber, vor einer Übertragung der Vermögensgegenstände auf den Erben zu prüfen, ob die Voraussetzungen des § 20 Abs. 6 ErbStG vorliegen, und gegebenenfalls die Herausgabe zu verweigern. Liegt keine vom Finanzamt ausgestellte Unbedenklichkeitsbescheinigung vor, handelt die Bank fahrlässig, wenn sie Verfügungen über das bei ihr gebuchte Guthaben zulässt (BFH, Urt. v. 12.3.2009 – II R 51/07). Die Rechtsabteilungen vieler Banken gehen (mit Verweis auf LfSt Bayern S 3830.2.1 – 1/11 St 34) davon aus, dass sich die Banken selbst dann dem Haftungsrisiko gem. § 20 Abs. 6 S. 2 ErbStG aussetzen, wenn Verfügungen über das vorhandene Nachlassguthaben nicht direkt an den ausländischen Miterben erfolgen, sondern durch die Verfügung Nachlassverbindlichkeiten beglichen werden, für die der ausländische Erbe haftet.
Wohnt ein Erbe im Ausland und liegt noch nicht die Unbedenklichkeitsbescheinigung des Finanzamts vor, ist der Nachlass meist auf längere Zeit ähnlich handlungsunfähig wie im Fall eines laufenden Erbscheinverfahrens.
Zwar können weder die Testierenden selbst noch ihre juristischen Berater den zukünftigen Wegzug eines gewillkürten Erben ins Ausland vorhersehen.
Gleichwohl meint Zerberus: Die sorgfältige Aufklärung des Wohnorts sämtlicher Personen, die in dem zu errichtenden Testament zu Erben eingesetzt werden sollen, ist dringend geboten. Für den Fall, dass ein solcher Erbe schon im Ausland lebt (und perspektivisch auch dort leben bleiben wird), ist gemeinsam mit den Testierenden darüber nachzudenken, ob sich aus § 20 Abs. 6 ErbStG Gestaltungsbedarf ergibt.
ZErb 2/2024, S. I