In unserer Betrachtung gehen wir nicht mehr von den Altfällen vor Inkrafttreten der EuErbVO am 17.8.2015 aus. IPR-Regeln sind in Frankreich weitgehend Richterrecht, wobei die Termini des "ordre public" und "fraude à la loi" IPR-Ergebnisse noch korrigieren können.
Die Umgehung des Pflichtteilsrechts und die BGH-Entscheidung zum "ordre public"-Charakter ist dem deutschen Erbrechtler wohl bekannt. Des Weiteren grundgelegt werden die Reformen des französischen Erbrechts vom 3.12.2001, in Kraft seit 1.7.2002, sowie vom 23.6.2006, in Kraft seit 1.7.2007.
a. Ausschlagung
Gem. Art. 771 CC beträgt die Entscheidungsfrist des Erben, die Erbschaft anzunehmen oder auszuschlagen, vier Monate. Nach Fristablauf können Miterben, mögliche Ersatzerben sowie Gläubiger oder der Staat den Erben auffordern, sich hierüber binnen zweier weiterer Monate, und bei Einschalten eines Gerichts zusätzlicher Zeit, zu erklären (Art. 772 CC). Die Annahme der Erbschaft wird bei Schweigen fingiert, gilt ergo gem. Art. 772 Abs. 2 CC als angenommen: "l'héritier est réputé acceptant pur et simple". Sehr weitgehend und bemerkenswert für den deutschen Erbrechtler, der die harte Sechs-Wochen-Frist oft im Nacken hat, ist die Zehn-Jahres-Frist, die die Art. 773 und 870 CC gewähren: Sie greift dann, wenn der Erbe nicht aufgefordert wurde, sich zwischen Annahme und Ausschlagung zu entscheiden. Erst nach Ablauf der Zehn-Jahres-Frist gilt die Erbschaft als ausgeschlagen. Will der Erbe ausschlagen, nimmt das "Tribunal judiciaire" (vor der Reform 2020: TGI = tribunal de grande instance) die Erklärung entgegen, in dessen Bezirk das Erbschaftsverfahren eröffnet wurde (Art. 720 CC). Neben der Ausschlagung existiert die durch die Reform von 2007 gebahnte Möglichkeit, die Erbschaft mit Erbschaftsbeschränkung auf den Aktivnachlass anzunehmen (Art. 787 ff. CC). Zuvor hielten Art. 793 ff. CC a.F. die Annahme unter Vorbehalt der Inventarerrichtung bereit. Einer Inventarerrichtung durch notarielle Urkunde bedarf es aber gem. Art. 790 CC immer noch. Sobald die Haftungsbeschränkung auf den Aktivnachlass publiziert ist, dürfen die Gläubiger binnen 15 Monaten ihre Forderungen anmelden.
b. Nachlassspaltung ("fente")
Die deutsche Bezeichnung "Nachlassspaltung" wurde bei der Trennung zwischen Immobilien und Mobilien verwandt, die nach französischem IPR vor der EuErbVO unterschiedlich angeknüpft wurden. Diese Fälle sind nunmehr Rechtsgeschichte.
Die "Nachlassspaltung" kommt aber in folgender Konstellation vor: Überleben bei der gesetzlichen Erbfolge nur die Eltern ohne Geschwister und deren Abkömmlinge (eventuell neben anderen Verwandten), tritt nach dem Grundsatz der Linearteilung laut Art. 733 und 746 CC die "fente" ein, also die "Nachlassspaltung". Danach zerfällt die Erbschaft in zwei Hälften, eine mütterliche und eine väterliche Hälfte.
c. Teilungsanordnung
Die Teilungsanordnung ist dem französischen Erbrechtler nur dann geläufig, wenn der Erblasser (de cujus) Verfügungen trifft, um den Nachlass hinsichtlich seiner Kinder und sonstigen Abkömmlinge aufzuteilen. In diesen Kontext fallen "testament-partage" (Art. 1079 f. CC) und in vorweggenommener Erbfolge die "donation-partage" des Art. 1076 ff. CC, für welche Art. 1075, 931 CC die notarielle Beurkundung verlangen.
d. Noterbrecht und Pflichtteilsrecht
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