aa. Gesetzliche Regelung
Sind dem Bedachten nur einzelne Gegenstände zugewendet, so ist im Zweifel nicht anzunehmen, dass er Erbe sein soll, auch wenn er als Erbe bezeichnet ist (§ 2087 Abs. 2 BGB). Das ist nur eine Auslegungsregel. Sie besagt umgekehrt, dass auch jemand "Erbe" oder "Miterbe" sein kann, obwohl ihm nur ein oder mehrere Gegenstände (meist Grundstücke) zugewiesen sind. Die Wortwahl (Erbe, Vermächtnis usw.) ist nicht ausschlaggebend. Wenn es sich um ein notarielles Testament handelt, in dem jemand als "Erbe" bezeichnet ist, kann man aber kaum unterstellen, dass etwas anderes gemeint ist.
Man muss versuchen, aus dem Testament zu entnehmen, was der Erblasser, obgleich Nichtjurist, wollte:
Ein Miterbe ist Erbe neben anderen Personen; er hat unmittelbar Rechte am Nachlass, haftet aber auch für die Schulden; er soll den Nachlass regeln; die Beerdigung veranlassen und die Kosten tragen, die Grabpflege übernehmen; er muss die Geldvermächtnisse auszahlen.
Ein Vermächtnisnehmer ist am Nachlass nicht unmittelbar beteiligt; er hat nur einen Anspruch gegen den Erben (§ 2174), hat vielleicht Ärger, wenn nicht freiwillig geleistet wird; er haftet nicht für Schulden des Erblassers, nicht für weitere Kosten; er muss sich um die Verwaltung und Auseinandersetzung des Nachlasses nicht kümmern.
bb. Gesamtverteilung
Enthält das Testament lediglich Verfügungen über einzelne Nachlassgegenstände und erschöpfen diese Einzelzuwendungen den Nachlass, kann eine Erbeinsetzung aller genannten Empfänger vorliegen. Eine "gesamte Erschöpfung" liegt auch vor, wenn die üblichen Haushaltsgegenstände, die kaum einen Wert haben (wie gebrauchte Möbel, Vorräte, Kleidung), nicht verteilt werden; ein großer deutscher Haushalt hat ca. 20.000-30.000 Einzelgegenstände, wenn man jeden Löffel, Zahnbürste, Putzeimer usw. mitzählt.
Allerdings soll dies nicht gelten, wenn viele Empfänger (z.B. 20) im Testament genannt sind, weil niemand 20 oder mehr Personen als seine wirtschaftlichen Nachfolger einsetze; dann komme die Annahme von gesetzlicher Erbfolge bezüglich des ganzen Nachlasses in Betracht, belastet mit Vermächtnissen zugunsten der im Testament Bedachten, vgl. § 2149 BGB; das gelte aber nicht, wenn aufgrund des weiteren Inhalts des Testaments anzunehmen sei, dass der Erblasser überhaupt keine Erben berufen und seine Verwandten oder seinen Ehegatten als gesetzliche Erben ausschließen wollte.
Kommt man zur Auslegung als Erbeinsetzung im Verhältnis der jeweils zugewandten Vermögenswerte zum Gesamtnachlass im Zeitpunkt des Erbfalls, dann ist eine Erbfolge nach Quoten anzunehmen, verbunden mit einer Teilungsanordnung gemäß den im Testament den jeweiligen Erben zugewiesenen Gegenstände. Unter "Werte" sind dabei die Verkehrswerte abzüglich darauf lastender Schulden zu verstehen.
cc. Keine Gesamtverteilung
Erschöpfen die Einzelzuwendungen den Nachlass nicht, hat eine Auslegung zu erfolgen. Es kommt in Betracht, dass einer oder einige der Bedachten Erben sind, die anderen Vermächtnisnehmer. Dabei müssen Umfang und Wert des Gesamtnachlasses sowie der einzeln zugewandten Gegenstände ermittelt werden, notfalls durch Sachverständige. Die Personen, denen wertmäßig bzw. die Hauptnachlassgegenstände zugewiesen sind, das sind die Erben, und Vermächtnisnehmer sind die Personen, die mit Gegenständen von verhältnismäßig geringem Wert bedacht sind.
Oder: Wenn die Erbeinsetzung auf einen Bruchteil beschränkt ist und die Bruchteile das Ganze nicht erschöpfen, tritt bezüglich des Restes gesetzliche Erbfolge ein, § 2088 BGB. Die zugewandten Gegenstände sind dabei in Bruchteile des Nachlasses umzudeuten.
Oder: Sollen die eingesetzten Erben nach dem Willen des Erblassers die alleinigen Erben sein und ist jeder zu einem Bruchteil eingesetzt, tritt nach § 2089 BGB eine verhältnismäßige Erhöhung der Anteile ein (aus Einsetzung zu ½ und ¼ wird eine Erhöhung auf ½ + 2/12 und ¼ + 1/12).
dd. Rechtsprechung
Die Rechtsprechung geht regelmäßig von einem "Gesamtverfügungswillen" aus, wenn der Erblasser über mindestens 80 % seines gesamten Vermögens verfügt hat. Andere nennen 90 %. Bei 75 % bis 90 % sei nach den sonstigen Umständen zu entscheiden. 74 % sollen nicht genügen. Nach dem BayObLG genügt ein "erhebliches Übertreffen" der Werte. Man kann keinen bestimmten Grenzwert festlegen, es kommt auf den Einzelfall an.