4.1. Lückenschluss durch Erweiterung des § 2278 Absatz 2 – RegE

Die Tatsache, dass der RegE hier jetzt die Lücke schließt und § 2278 Absatz 2 BGB – RegE nunmehr ausdrücklich auch einer Regelung im Sinne der §§ 2050, 2053 und 2315 BGB zugänglich macht, kann nur uneingeschränkt begrüßt werden. Ist doch nur so ein freiwilliger Verzicht auf die zukünftig neu geschaffene Testierfreiheitskomponente zu Lebzeiten des Erblassers mit verbindlicher Wirkung möglich.

Im oben dargestellten Fallbeispiel würde ohne diese geplante Erweiterung des Gesetzesvorhabens im Bereich des § 2278 BGB die Unternehmensnachfolge letztlich gefährdet sein[7] und somit auch die Existenz von (im Beispielsfall einmal fiktiv angenommenen vierzig) Arbeitsplätzen. Die jetzt gefundene Lösung wird daher in der Zukunft unmittelbar positive Auswirkungen in wirtschafts- und gesellschaftspolitischer Hinsicht zeigen. Sie bedarf der uneingeschränkten Umsetzung.

[7] Der Verfasser hatte in seiner vorangegangenen Untersuchung darauf hingewiesen, dass kautelarjuristisch die Regelungslücke durch die Konstruktion der Anordnung eines (Voraus-)Vermächtnisses des Erblassers noch hätte geschlossen werden können. Diese Konstruktion hätte jedoch erheblichen konstruktiven Aufwand erfordert und wäre letztlich nur eine notdürftige Korrektur gewesen, die das eigentliche Defizit, nämlich die – nach Realisierung des Reformvorhabens – zu enge Aufzählung des erbvertraglichen Regelungsbereiches in § 2278 BGB, nicht hätte beseitigen können. Vgl. Progl, ZErb 2008, 12.

4.2 Testierfreiheitserweiterung und lebzeitige Vertragsgerechtigkeit

Der Regierungsentwurf führt die wesentliche Zielsetzung der Gesetzesänderung, die auch bereits im RefE enthalten, aber in der Begründungen des RefE noch nicht vollständig durchdrungen und verbalisiert, sondern lediglich aus der durch ihn geplanten Änderung des erbvertraglichen Regelungsgefüges heraus erkennbar, gewissermaßen "herauslesbar" war, nunmehr prägnant aus. Sie lautet:

Zitat

Die Reform des Erb- und Verjährungsrechts will die Testierfreiheit des Erblassers stärken.[8] Deshalb erhält der Erblasser künftig die Möglichkeit, nachträglich die Ausgleichung anzuordnen oder auszuschließen. Das bedeutet, dass er künftig

eine Anordnung über die Ausgleichung oder deren Ausschluss nachträglich treffen oder
eine bei der Zuwendung oder nachträglich erklärte Anordnung wieder rückgängig machen kann.

Der Erblasser kann also seine Entscheidungen immer wieder ändern. Er kann damit auch nach Anordnung und Rücknahme eine erneute Entscheidung über die Anordnung treffen und auch diese wieder zurücknehmen usw. Damit kann der Erblasser künftig besser auf veränderte Umstände nach der Zuwendung reagieren. Will sich der Empfänger einer Zuwendung vor nachträglichen Änderungen der Ausgleichungsbestimmung schützen, hat er nach der Neuregelung des § 2278 Abs. 2 BGB – RegE die Möglichkeit, nachträgliche Änderungen zusammen mit dem Erblasser bindend in einem Erbvertrag auszuschließen. Lässt sich der Erblasser darauf nicht ein, muss dem Empfänger der Zuwendung bewusst sein, dass er mit solchen nachträglichen Änderungen rechnen muss.[9] Der Erblasser kann solche nachträglichen Anordnungen jedoch nur in Form einer Verfügung von Todes wegen treffen. Damit wird ein Gleichlauf zu § 2315 BGBRegE hergestellt. Auch dort können künftig nachträgliche Bestimmungen über die Anrechnung von Zuwendungen auf den Pflichtteil durch Verfügung von Todes wegen getroffen werden.“[10]

Mit der Erweiterung der erbvertraglichen Regelungsmöglichkeiten in § 2278 Absatz 2 BGB gelingt es dem RegE, das Ziel der Testierfreiheitserweiterung zu verwirklichen, ohne die allgemeinen Grundsätze der Vertragsgerechtigkeit infrage zu stellen. Kommt es den beiden Generationen als Vertragspartnern eines lebzeitigen Generationenvertrages (einer vorweggenommen Erbfolgeregelung) in den Sinn, die Frage der späteren Anrechnungs- bzw. Ausgleichungsverpflichtung bereits zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses für die Zukunft verbindlich zu regeln, so können sie es fortan. Hierin liegt der entscheidende "qualitative Sprung" des RegE im Bereich der geplanten Änderungen der Anrechnungs- und Ausgleichsbestimmungen der §§ 2050, 2053 und 2315, 2316 BGB. Die Begründung zu § 2315 BGB lautet jetzt im RegE ebenfalls stark verbessert und konsequent:

Zitat

"Um die Testierfreiheit des Erblassers zu stärken, räumt der RegE dem Erblasser die Möglichkeit ein, nachträgliche Anordnungen über die Anrechnung zu treffen. Dazu gehört auch, dass der Erblasser eine einmal getroffene Anordnung über die Anrechnung wieder ändern kann. Der Erblasser kann damit veränderte Umstände nach der Zuwendung (z. B. Undank des Bedachten, aber auch eine Verbesserung der Beziehung zum Bedachten) besser berücksichtigen. Künftig muss der Pflichtteilsberechtigte immer damit rechnen, dass der Erblasser eine anrechnungsfreie Zuwendung nachträglich noch zu einer anrechnungspflichtigen macht. Eine unzumutbare Beeinträchtigung des Pflichtteilsberechtigten ist damit nicht verbunden. Dem Pflichtteilsberechtigten wird seine Teilhabe am Gesamtvermögen nicht entzogen. Er bekommt seinen Anteil aus dem Vermögen...

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